Mittwoch, 28. Februar 2024

3578 Ich wundere mich

 



9:44 a.m. Ich hocke nach dem Aufwachen schon länger im Bett und habe gelesen. Meine Stimmung ist großartig: feierlich und hingebungsvoll betrachte ich mein Zimmer, zumindest bilde ich mir das ein. Wie viel so eine Stimmung wert ist, merkt man erst, wenn sie gestört wird; und da scheint jetzt die Gefahr nicht allzu groß zu sein. Ich betrachte mit Freuden meine Bilder an der Wand überm Bücherregal – das befindet sich einfach an der gegenüber liegenden Wand – während durch mein rechts Bein ein interessantes Kribbeln läuft. Diese Bilder habe ich schon so oft angeschaut und in unzähligen Varianten beschrieben, dass sie mein Blick schon ausgelaugt haben müßte, aber ich finde sie immer noch auf ihre Art erfrischend. Das muß jetzt nichts über die Qualität der Bilder aussagen, denn man kann ja auch den Anblick eines Farbfleckens an einer Wand oder eines Sprungs in einer Mauer erfrischend finden. Naja, und im Falle der Bilder wie auch des vollgestopften Bücherregals wird auch Besitzerstolz eine Rolle spielen. Ich seufze tief. Mehrmals. Dann schlafe ich vor lauter inneren Frieden fast wieder ein. Ich nehme das Rettenschoess-Bild ins Visier und erfreue mich an der farblichen … Unordnung – nennen wir es so. Die „Unordnung“, die sich naturwüchsig gibt. Ich lasse ein paar Erinnerungen, ein paar Gedanken zu, die mich sehr in Frage stellen; oder besser gesagt: mein Selbstbild. Aber das haut mich nicht um. Nun bleibt mein umherschweifender Blick am Mali-Lošinj-Bild an einer Stelle in der Hafenpromenade hängen, wo die schlampig hingeworfenen Pinselstriche eine besonders chaotische Situation geschaffen haben, die mir gerade wie ein sich aus dem Asphalt lösender Fisch erscheint, der sich aufrichtet und sein Maul weit aufreißt. Ob nach Luft schnappend oder im Versuch nach Beute zu greifen, weiß ich nicht. Jetzt, wo ich nach der Niederschrift wieder auf das Bild schaue, kann ich diese soeben gesehene Gestalt nicht mehr finden; nur mehr so ungefähr rekonstruieren, aber ohne die Deutlichkeit, Klarheit und Stringenz von vorhin. Wo ich mich nun wundere, wie ich in dem hingepinselten Chaos so eine präzise Gestalt sehen konnte.


(28.2.2024)


©Peter Alois Rumpf Februar 2024 peteraloisrumpf@gmail.com

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