Freitag, 20. Oktober 2023

3439 Ohne Titel (und: R.I.P. Carla Bley)

 



23:18. Oh Gott! War mir schlecht! Nach Stunden schaffe ich es jetzt, im Bett aufrecht zu sitzen und sogar eine CD einzulegen und abspielen zu lassen (R.I.P. Carla Bley; „Andando el Tiempo“). Dieses momentane Gleichgewicht ist äußerst fragil und von Übelkeit und Schwindel bedroht (ich wundere mich, dass schreiben geht), jedes Neigen des Kopfes, jede Drehung kann der Auslöser für Drehschwindel und hemmungsloser Kotzerei sein. Auch dass ich die Musik anhören kann und nicht mehr jeden Ton und jedes Geräusch als Bedrohung empfinde, macht Hoffnung auf baldige Wiederherstellung (diese Musikstücke sind mir allerdings, als ich im Bett darniederlag, durch den Kopf gegangen, deswegen habe ich sie ausgewählt und es gewagt). Lesen: njet! Internet: njet! Ich habe nämlich den Eindruck, die Augen haben die Krankheit herbeigeholt und jede Anstrengung ruft sie, die am Abgehen ist, wieder zurück. Diese wunderbare Musik festigt mich und erfrischt mein erschrockenes Herz. Auch der Schüttelfrost ist nur mehr eine ferne Bedrohung am Rande des Geschehens.

Eine kleine Mücke läßt sich auf meiner Bettdecke nieder. Ja, und der erste tiefe Atemzug seit Stunden (ich hatte während des Höhepunkt der Übelkeit vergeblich versucht, kraftvoll in den Bauch zu atmen). Oh wie fröhlich der Bass von Steve Swallow gerade seinen Lebenslauf entlang hüpft, sanft und präzis in ermutigenden Schlägen. Und nun spielt das wundervolle Saxophon von Andy Sheppard sozusagen die Oberstimme und leiht dem Schmerz seine menschliche Stimme, während das Klavier ganz fein und tapfer die traurige Zerrissenheit der Welt beschreibt und die schüchterne Existenz des Menschen in diesem geistverlassenen und ausgeleertem Ambiente. Es ist der Bass, der das gesamte Geschehen zusammen hält.

(19./20.10.2023)

Peter Alois Rumpf Oktober 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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