Mittwoch, 4. Oktober 2023

3414 Ich schäme mich so

 



Im Votivpark der in einem weißlichen Glanz neu erstrahlten Verlogenheit gegenüber. Als Kirche eine Versagerin, meinetwegen soll sie als Touristenbauwerk durchgehen (verdienen die was besseres?). Der Park davor ist durchaus einladend mit seiner großen Wiese und den vielen Bäumen. Der Kircheneingang lädt auch ein, aber die Durchzugsstraße, die knapp vor dem großen Portal den Park quert, macht das Annehmen der Einladung unmöglich, wenn man nicht bereit ist, sich umständlich und auf Umwegen von der Seite über inferiore Dienstbotenwege von Fußgängerampeln ausgebremst anzuschleichen. Nein! Wenn schon, denn schon! Wenn schon ein großes Portal, dann braucht es auch genügend freien Platz davor, auf dass man angemessen als freies Kind Gottes und sogar feierlich sich dem angeblichen Gotteshaus nähern kann. Alles andere ist eine Farce. Dann können sie gleich die Fassade zumauern und ein Garagentor einsetzen. Ich verteidige sogar die schieche Votivkirche gegen die pöbelige Allmacht des Autoverkehrs.

Der Park ist wegen seiner Uninähe sehr belebt; viele junge Menschen lagern in der strassenzerteilten Wiese, sitzen auf den Rohrleitungen der U-Bahnbaustelle und auf den vielen Bänken. Die zahlreichen Bäume wölben sich schöner als sich die Neogotik spitzt (sie kann nicht zum Himmel weiterleiten – die Leitung ist tot, sie tut nur so als könnte sie es. Auch die echte Gotik ist fragwürdig). Aber ich halte es hier aus. Beim Kunsthändler vorhin habe ich mich nicht ins Geschäft getraut – ich wollte die Weilerbilder anschauen. Ich schäme mich so, dass ich kein Geld habe und empfinde, dass ich deshalb an solchen Orten nichts verloren habe (vor Jahren habe ich mich noch hineingetraut, auch wenn der Erwerb eines Kunstwerkes auch damals weit außerhalb meiner Möglichkeiten gelegen ist). Nein, ich schäme mich so. Kein Wunder, dass ich meine Kemenate nur schwer verlasse. Und wenn ich von so einem Ausflug zurückkomme, bin ich völlig erschöpft. Es ist so ein Stress, als Dalit herumzugehen und zu hoffen, dass es niemand bemerkt. Wobei ich durchaus tapfer um meine Anwesenheit kämpfe. So habe ich mich zum Beispiel vorhin getraut – weil alle Bänke mit Blick auf die Votivkirche – und die wollte ich in Augenschein nehmen – besetzt waren – eine Dame (bei Frauen geht es leichter) zu fragen, ob ich mich auch auf die Bank setzen darf. Und es ausgehalten, dass sie sofort ihren Rucksack von der Bank gegeben hat, obwohl auch mit Rucksack genug Platz auf der Bank gewesen wäre (und mit dieser Barriere zwischen uns hätte ich mich wohler gefühlt). Ich hätte es wahrscheinlich genau so wie diese Frau gemacht, auch ich bin mißtrauisch.

Eine Riesenwolke bedenkt jetzt die Sonne. Sie ist sehr schön und eindrucksvoll; wie ein Riesenzeppelin zieht sie über den Himmel ungefähr nach Süden. Übrigens sitze ich Richtung 282° West. Ich hatte das völlig falsch eingeschätzt! Dann wandern die Wolken eher Richtung Osten. Ich überprüfe auch das: nein, es hat gestimmt! Die Wolken schweben Richtung 176° Süd.

(4.10.2023)

Peter Alois Rumpf Oktober 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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