Mittwoch, 27. September 2023

3407 Schaben

 



Ich schabe an meinen Füßen um die Hornhaut an Fersen, Ballen und Zehen zu entfernen und dafür bin ich ins Atelier gegangen, denn das ist viel heller als meine finstere Kemenate. Ich übe diese Kunst aus, während ich, wenn ich den Blick hebe, den Himmel und die Bäume im Hof sehen kann – genau auf die kommt es an – und wie der Wind in den Zweigen spielt. Was für ein herrliches Setting an diesem schönen, sonnigen Tag! Ich schabe, ich blicke auf, ich schabe wieder. Wie nennt man das? - das Schabmehl rieselt auf den farbenbekleckerten Atelierboden und die Telephonate im Hof höre ich unverständlich, aber laut. Der kleine Springbrunnen unten gluckert, der Weidenbaum winkt her, die männliche Stimme im Hof ist tief, aber mit Tendenz nach oben überzukippen. Angst? Ich werde mich jetzt meinem rechten Fuß widmen. Könnte ich das abgeschabte Hornhautmehl als Düngemittel für meine Topfpflanzen - die gar nicht mir gehören, die ich aber betreue – verwenden? Schließlich gibt es dafür ja auch das Hirschhornmehl. So viel Unterschied wird es da – fast hätte ich „etymologisch“geschrieben – entwicklungsmorphologisch und chemisch nicht geben, oder? (Oje! Hirschgeweihe bestehen im Gegensatz zu Hörnern aus Knochensubstanz; da müßtest du noch viel schaben – der Tipper). Ich kehre das Hornhautmehl auf ein Mistschauferl und leere es in den Topf unseres Zitronenbaums. Mit der Schaberei bin ich fertig und jetzt lasse ich die Füße „auskühlen“ und „abklingen“, dann werde ich sie mit Hirschtalkcreme einschmieren. Endorphinmusik – das ist dieser unerträglich verlogene fröhlich hüpfende Aufmunterungskitsch (es gibt auch die sentimentale Variante) – tönt beim Fenster herein, Gottseidank so undeutlich, dass er mir den schönen Herbsttag und die Tagesplanung nicht versaut. Gottseidank ist heute Einkaufstag, da werde ich hinausgehen müssen.

(27.9.2023)

Peter Alois Rumpf September 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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