Mittwoch, 20. September 2023

3401 Post, postum und post mortem

 



Angeregt von meinen schriftstellerischen Facebookfriends habe ich mich Ende März 23 erkundigt, wie frau/man in die Grazer Autorinnen Autorenversammlung aufgenommen werden kann. Ich bekam eine sehr freundliche, kompetente und umsichtige Antwort aus deren Büro und so stellte ich ein paar Texte zusammen und schickte sie bald darauf per Post an die angegebene Wiener Adresse der Grazer Autorinnen Autorenversammlung. Die Zeit bis zum Ende der Einreichfrist war reichlich und im Herbst sollte die Jury zusammentreten und entscheiden und so harrte ich der Dinge. Gestern am 19.9.2023 erhielt ich per E-Mail die Nachricht, dass meine Sendung erst im August eingetroffen sei und somit weit nach Fristende und somit mein Antrag in dieser Runde nicht mehr berücksichtigt werden konnte und für das Jahr 2025 aufbewahrt wird. Dann kam die Korrektur: mein Konvolut ist am 6.6. eingetroffen. Gleich unterstelle ich der GAAV Schlamperei, dass meine Briefsendung irgendwo herumgekullert ist, übersehen wurde, in irgendwelchen Schubladen (!) vergammelt ist. In den wesentlichen Anliegen übersehen zu werden gehört ja zur Grundausstattung meine Existenz – so zumindest mein Glaubenssatz. Spät in der Nacht – ich hatte mich schon um zirka 3 Uhr zum Schlafen hingelegt – läßt mir das Ganze keine Ruhe: ich ärgere mich, rege mich auf, überlege, wo der Fehler passiert sein könnte und kann nicht schlafen – es geht schon gegen fünf Uhr früh – ich stehe wieder auf, hole den Papiersack, in den ich meinen Papierabfall schmeiße, und beginne, den Briefaufgabebeleg zu suchen – in der Hoffnung, dass ich den Papierabfall seit mindestens einem halben Jahr nicht entsorgt habe. Ein Hoch auf meine Schlampigkeit und meine hygienische Gleichgültigkeit! Ich finde den Belege und das Aufgabedatum ist der 6.4.2023. Ich gehe ins Internet zur Sendungsverfolgung – mich regt ja schon auf, dass man und auch frau dabei aufgefordert werden, die Sendungsnummer einzugeben, aber auf dem Beleg wird nicht vermerkt, welcher der darauf angeführten mindestens zwanzig Nummern diese Sendungsnummer ist – ich gebe alle am Zettel vermerkten Nummern ein und bekomme bei jeder entweder die Antwort „Fehler beim Eingeben“ oder „Sendung unbekannt“. „Gut“, denke ich mir, „muß ich halt morgen (ich weiß: kalendarisch ist es der selbe Tag) zur Post gehen. Länger noch wälze ich mich im Bett hin und her, bis ich in der Morgendämmerung endlich einschlafe.

Am Morgen geht mein E-Mailverkehr mit der GAAV weiter, weil ich ihnen mein Aufgabedatum 6.4. noch in der Nacht geschickt hatte. Sie antworten, auf dem Paket, das unzweifelhaft meines ist, wäre der 6.6.2023 als Aufgabedatum vermerkt. Aber freundlich und hilfsbereit, wie die Damen dort sind – ich hatte mich inzwischen schon für meine Anschuldigungen und Verdächtigungen zu entschuldigen versucht – futzeln sie – in wahrhaft kriminalistischer Kleinarbeit - den 6.6.-Aufkleber herunter und - siehe da! - es kommt ein 6.4.-Aufkleber zum Vorschein. Also die Post hat gepfuscht. Ich bin wütend. Zwei Jahre bis zur nächsten „Aufnahmeprüfung“ warten, wegen dieser Trotteln (ist das okay, wenn ich das nicht gendere?) von der Post! Da bin ich schon über 71 Jahre alt! Vielleicht lebe ich dann nicht mehr!

Es ist ja so, dass ich gar kein Selbstbewußtsein habe – behauptet zumindest mein innerer „Psychologe“ oder Ausrediteur – den Entschluss für einen Antrag auf Aufnahme in die GAAV habe ich nur aus einer nächtlichen – dann, wenn die Herde schläft und deren Bewußtseine heruntergefahren sind – einsamen Facebookeuphorie gewagt, und ich hatte nicht bemerkt, dass ich mir damit wirklich Hoffnungen machte, und auch nicht, wie wichtig mir diese Anerkennung von Seiten einer äußeren Kompetenz ist. Nicht das ich davon erwartet hätte, dass jetzt der große Durchbruch kommt und meine Texte überall veröffentlicht werden – wenn man die Mitgliederlisten der GAAV durchgeht, kann man ja glauben, halb Österreich wäre schon dabei – und das ist gut! Sehr gut! - aber ich könnte – ohne bisher ein Buch veröffentlicht zu haben - selbstverständlicher meinen Beruf als Schriftsteller angeben und besser untermauern, dass meine Schreiberei kein Pensionistenhobby ist (Hobby! Pfui Teufel! Pfui Teufel! Pfui Teufel! Dreimal ausgespuckt!).

Mein innerer Hobbypsychloge behauptet, dass das Ganze für mich so relevant ist, weil ich kein initiierter Mann bin; niemals ist eine Vaterfigur oder eine relevante gesellschaftliche Autorität zu mir gestanden und hat mir die Welt erklärt und meinen Ort darin. Es muß ja nicht gleich „das ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe“ einer himmlischen Stimme sein, es hätte ja auch ein Lehrer sein können, der sagt, „du hast eine schriftstellerische Begabung“ oder sonst etwas, „du könntest da oder dort etc. etc. etc. …“, behauptet zumindest mein innerer Hobbypsychologe. Ich meine, das resonanzlose (Arbeits)Leben ist nicht leicht.

Also gehe ich heute zur Post, wutentbrannt, in meiner – zugegeben: sehr spätpubertären – Phantasie schlage ich gleich ein paar ignorantische Postbeamte (muß ich nicht gendern; ich denke dabei nur an Männer) (und aus dem All gebeamt sind sie auch nicht) nieder, so links! Rechts! In die Goschn! Und so mache ich mich zu Fuß auf den Weg (Pferd oder Pferdestärken habe ich nicht; Mönche dürfen nicht reiten) und kündige meiner Frau, die mich heute zum Großeinkauf braucht, an, dass ich, wenn ich nicht rechtzeitig nach Hause komme, wahrscheinlich wegen Randale verhaftet bin. Aber ich weiß schon: angekündigte Revolutionen finden nicht statt und unsicher bin ich so leicht zu machen, also werde ich gegen eine so mächtige und ignorante Bürokratie nicht ankommen und meinem Zwang zur Höflichkeit nicht auskommen.

Also! Schaut her! Das hat meine Recherche ergeben: Aufgabe der Briefsendung: 06.04.2023 12:57:19. Dann steht: Fehlleitung: 06.06.2023 05:45:24. No Read Bearbeitung: 06.06.2023 05:57:36. Eingang Verteilzentrum: 06.06.2023 09:54:58. Paket wurde verteilt: 06.06.2023 09:56:12. Eingang Verteilzentrum: 07.06.2023 00:22:39. Paket wurde verteilt: 07.06.2023 00:22:42. Sendung auf Zustelltour vorbereitet: 07.06.2023 06:33:45. Sendung auf Zustelltour genommen: 07.06.2023 07:49:11. Sendung abgestellt (Hausbriefanlage): 07.06.2023 09:18:49.

Gottoderwemoderwasauchimmerseidank gibt es diese bürokratische DaDa-Poesie! Über die kann ich wenigstens lachen. Auf die Sekunde genau wird dokumentiert, was mit dem Paket geschehen ist, aber wo es zwischen dem 06.04.2023 12:57:19 und 06.06.2023 09:57:36 war, nicht. Zwei Monate ist nichts dokumentiert. Keiner weiß etwas, keiner kann oder will etwas sagen. Ist es im Verteilerzentrum irgendwo in einer Ecke gelegen? (ich habe neben meiner künstlerischen Tätigkeit jahrelang immer wieder in einer Briefumleitung als UEK und WAK in Nachtschichten gearbeitet.) Ist ein Hinterlegungsschein bei der GAAV verloren gegangen? Ist es in einem falschen Postkastl gelandet? (dass es exakt 2 Monate verschollen war, spricht dagegen. Auch wenn ein falscher Empfänger sich mit der Rückgabe Zeit läßt – aber genau zwei Monate? Dieses Timing schaut eher nach einem bürokratischen Ablauf aus.) (Falsches Postkastl passiert leicht. Bei uns kommen manchmal Briefsendungen, meist solche der privaten Anbieter, ins falsche Postkastl, weil das Haus über zwei Stiegen verfügt und diese unsinnigerweise jeweils ihre Wohnungen mit 1 zu zählen beginnen, und obwohl unsere Namen deutlich angeschrieben sind. Meine Karten für mein Red-Hot-Chili-Peppers-Konzert mußte ich mir im letzten Moment aus dem gleichnummrigen Postkastl der anderen Stiege herausfischen, weil dort gar niemand wohnt und keiner dafür einen Schlüssel hat. Das gibt es alles.) Oder der Charms’sche Wundertäter hat doch ein Wunder, wenn auch ein Negativwunder vollbracht. Oder haben die für die Schreiberei zuständigen Götter verhindernd eingegriffen? Weil dem Merkur meine Schreiberei nicht passt oder ihm der Saturn eine verpasst hat? Oder irgendein böser Demiurg stört den göttlichen Schöpfungsplan? Oder der heilige Franz von Sales, der Schutzpatron der Schriftsteller, ist beleidigt, weil ich den heiligen Franz von Assisi beleidigt und beschimpft habe. Oder weil ich damals beim Theologiestudium eine fade Arbeit über Franz von Sales geschrieben habe? Oder eine ererbte Schuld hintertreibt meine Bemühungen? Oder … . Oder ganz im Gegenteil: gute Götter oder die Nornen haben das eingefädelt, weil die Jury in zwei Jahren meinen Texten wohlgesonnener sein wird als es die heurige wäre? Hoffentlich lebe ich dann noch! Oder es gibt den kosmischen Plan – für die Erlösung der Welt ganz wichtig! - dass ich erst postum respektive post mortem Autor der GAAV werden darf. Wir können nur spekulieren und hoffen, dass das Universum weiß, was es tut. Oder wollen die da oben mich gar komplett totschweigen?

(20.9.2023)

Peter Alois Rumpf September 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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