Freitag, 15. September 2023

3394 Albemod

 



Albertina modern. Im großen Saal mit den Abstrakteren sitze ich auf der Bank und genieße die Aussicht, so weit sie geht. Allein schon der große leere Raum läßt mich tief aufatmen. Nicht zu viele Besucher, nicht zu wenige. Auf der Bank drehe ich mich so, dann ich drehe mich so; jetzt schaue ich 229° Südwest. Jetzt schreite ich in einen nicht so tollen Raum und blicke trotzdem in den großen Saal. Ein wenig studiere ich die Bewegungen der BesucherInnen, als ein extrem verhaltenes Ballett betrachte ich sie. Könnte auch irgendeine Teilchen-Bewegungs-Studie sein. Zurück in den Saal (bei meinem liebsten Ding hier in der Ausstellung, dem Sisyphos von Franz West, gibt es keine Sitzmöglichkeit). Nun aber bin ich wieder in einen anderen Raum gewandert. Da hinter der Wand rumpelt es und ich sitze viel zu nahe an den Bildern dieser Seite (20° Nord). Darum drehe ich mich um (256° West). (Was ich überhaupt nicht verstehe, denn ich habe mich auf der Bank um 180° gedreht! Jetzt dreh ich mich zurück und nun sollen es 40° Nord sein.) Okay, wie auch immer! Ich gehe zum West und seinem Sisyphos. Nein, ich setze mich vorher noch zum Anzinger; beim West müßte ich stehen.

Jetzt wieder vorm Sisyphos, der mich schon lange fasziniert (Der West hat ja einige Sisyphoi geschaffen und ob’s der exakt gleiche ist wie der vor ein paar Jahren – ich gebe zu, ich bin mir nicht ganz sicher, aber ziemlich). Die Wahrheit ist: ich halte es nie lange vor einem Bild aus. Meine Idee (meine?), stundenlang vor den Kunstwerken meditierend zu verharren, geht nicht nur körperlich nicht. Auch mein Geist ist viel zu unruhig. Je beiläufiger die Konfrontation, desto eindringlicher.

Ja mir gefallen heute die Farben und Formen der Anzingers, aber richtig lange verweilen (ver)mag ich auch sitzend nicht.

Die Kunst als inneres Erlebnis im Zeitalter der Beliebigkeit. Erstens könnte sich die Beliebigkeit auch auf das innere Erlebnis beziehen. Und zweitens: warum nicht? Jeder liebt „sein Eigenart, der eine zirpt, der andre sparrt“. Was spricht dagegen? Gut, ich komme damit ins Gwirks mit der Wahrheit (die eben relativ, aber nie beliebig ist) und die ist mir wichtig! Ich könnte auch Kaffeetrinken gehen. Die Kunst als Vorwand, sich in der Welt herumzutreiben und alles und alle zu begaffen – wäre auch einer Überlegung und eines Essays wert. Aber ich bin zu müde und allmählich werde ich hungrig. Einkaufen für das morgige Familienessen will ich auch noch, und meine Handvoll LeserInnen kommen schon jetzt mit den Texten nicht nach. Ich habe keinen Plan (im Gegensatz zu dieser Frau im Bild von Neo Rauch, die scheint mehrere unter ihrem Arm zu tragen). Beim großen Hollegha-Bild, wenn man den Saal betritt, geht einem schon eine Pracht auf. Ich seufze voll Sehnsucht nach der Fülle des Lebens, die auch noch leicht und luftig sein soll.

(15.9.2023)

Peter Alois Rumpf September 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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