Mittwoch, 13. September 2023

3390 Der Zwang, mich mit der linken Hand ...

 



9:55 a.m. Zwischen Sieg (Schweden – Österreich 1:3; nur so ein wirkungsloser Gedanke) und Niederlage (einer meiner typischen Souterrainwohnungsalbträume: die Heizmöglichkeit wurde von irgendeiner „Macht“ ohne mein Wissen und gegen meinen Willen in meiner eh schon prekären Wohnung – Denglergasse läßt grüßen – ausgebaut und ich wußte nicht, wie ich so über den Winter kommen soll) bin ich völlig desorientiert, konfus und fremd aufgewacht. Selbst mein geliebtes Zimmer ist mir jetzt fremd und voller Angst. Nur an der obersten Bildreihe 3+1 an der gegenüber liegenden Wand unterm Plafond kann ich mich beruhigen (meine drei gemalten Bilder Mali Lošinj, Rettenschoess, Veli Lošinj und das Photo von der Riesneralm, das meine Tochter Magdalena gemacht hat). Mein Geist torkelt in meiner Vergangenheit umher mit Schwerpunkt auf meinem Pariser Exil. Rundherum findet das echte Leben statt: Baustellenlärm aus der Nachbarschaft, unten die lebhaften Tageskinder. Findet mein Geist zu Konzentration, Handlungsfähigkeit und Entschlossenheit? Überhaupt dazu, Aufmerksamkeit und Wahrnehmung sinnvoll zu ordnen? Lassen wir ihm noch ein wenig Zeit, sich aus Albtraum und Verwirrung herauszuwinden. Ein lästiger Husten, der sich nicht wie der einer Erkältung anfühlt, eher wie ein Raucherhusten, dabei rauche ich seit 20 Jahren nicht mehr. Oder Wasser in der Lunge? Nein, die letzte Vorsorgeuntersuchung hat nichts ergeben. Der Zwang, mich mit der linken Hand ans Notizbuch festzuklammern ist heute besonders stark; ich versuche nun schon zum zehnten Male, meinen Griff nachhaltig zu lockern. In meiner Brust beginnt es zu brennen und um mein Herz baut sich Druck auf. Was machen wir mit dem angebrochenen Tag? Wenn ich jetzt hinunter frühstücken gehe, störe ich die Tageskinder in ihrer heiklen Eingewöhnungsphase. Ich bleibe einfach im Bett. Lesen vielleicht. Lesen geht fast immer. Mein Geist landet jetzt bei meinen allerersten Psychotherapien vor zirka 40 Jahren. In der Therapiegruppe muß ich ein unerträglicher Besserwisser gewesen sein, aber das fällt mir erst jetzt auf; damals hatte ich trotzallem ein Selbstbewußtsein (oder einen ideologischen Ersatz); so fragil und fragwürdig dieses auch war, ich wagte es rigide zu verurteilen. Meine Beine beginnen zu schmerzen und ich muß sie ausstrecken, damit fällt mein „Schreibtisch“ zusammen. Wie wäre es mit einem Wandertag heute? Ach neee! Heute ist Einkaufstag und Wäschemittwoch. Über den Lichtschacht kommen akustische Elemente einer eigenartigen Musik herein; klingt wie fremde, technoide Blasmusik.

Allmählich fühle ich mich wieder „normal“ (für meine Verhältnisse!). Wenn ich noch etwas warte, sind unten keine Tageskindereltern mehr da und ich kann ohne das verhasste Gebiss frühstücken (verhasst nur beim Essen, weil ständig etwas unter das Plastik rutscht und dann das Zahnfleisch affiziert (affiziert: mein neues Lieblingswort? Ich werde dagegen ankämpfen!); optisch gesehen bin ich froh, dass ich ein solches Gebiss habe und dass es die Krankenkasse – von unseren Beiträgen – bezahlt hat).

(13.9.2023)

Peter Alois Rumpf September 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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