Sonntag, 30. Juli 2023

3319 Der römische Säulenstumpf

 



Frauenberg bei Leibnitz, 11:20 a.m. Vor einem antiken römischen Säulenstumpf – oder doch eher bloß eine nachgegossenen Kopie – man denkt sich vieles gern originaler als es ist – sitze ich im Museumspark am Lieb-Frauenberg - die meinige sitzt neben mir auf der Bank. In der Nacht war ein kurzes Gewitter und Regen und jetzt reißt es immer mehr auf und wird sonnig und heiß. Ein Feigenbaum wächst hier heroben, die Blätter anzubieten, um die römisch-katholische Blöße zu bedecken. Der weite Ausblick hier, nach Slowenien (Maribor/Marburg an der Drau zum Beispiel oder Ptuj/Pettau – alles weniger als 50 Kilometer Luftlinie entfernt – viel mehr zeigt die Tafel auf der Aussichtsplattform nicht an) und in anderes Umland. Die Kirchturmuhr schlägt halb. Im Norden sehe ich wieder so unglaubliche Wolkenballungen, die jedoch aus der aufgelösten Wolkendecke stammen. Es ist so schön hier, so schön! Der Maibaum lugt hinter der Museumshausecke hervor (dass der Maibaum nicht mehr Weltenbaum der Schamaninnen und Schamanen ist, sondern ein nur von den Dorfburschen zu bekletterndes Phallussymbol, zeigt die Verrohung der Sitten im Lauf der Jahrtausende. Aber das interessiert mich jetzt nicht). Es ist das ein Ort zum Verweilen – und ich hatte im Heraufsteigen schon die Befürchtung, dass der Platz inzwischen ein Restaurantgarten geworden ist und hier nur mehr ein konsumentischer Bezahlaufenthalt möglich ist und mich in eine prophylaktische Wut hineingesteigert.

Diese Ebene von Flavia Solva sozusagen, auf die ich hinausblicken kann, die meinen Blick so weit ausgleiten läßt, sie gefällt mir so sehr. Ich hatte meiner Frau, die jetzt neben mir auf der Parkbank liegt, einen Kurzvortrag über Alma Mahler-Werfel und Oskar Kokoschka – darüber lese ich gerade – gehalten und sie antwortet: „Hm! Hm!“. Da merke ich: sie ist an diesem ruhigen und schönen Ort eingeschlafen. Das ist ja ein uralter Frauenkultort und was immer die jeweiligen Kulte, Religionen und deren Wächter für Stücke gespielt haben – es wird das wohl ein Ort mit heilenden Energien und stärkenden energetischen Zusammenflüssen vor allem für Frauen sein. Die Kirchturmuhr schlägt dreiviertel. Die Spatzen zwitschern aufgeregt und laut, die Wolken im Norden spielen ihr großartiges Ballungsdrama – wenn es mir gelänge, auch meine Wahrnehmung auf Zeitlupe herunterzuschalten, würde ich es viel besser aufnehmen und fühlen können – und ich höre schon die Kinder und ihre Begleiterinnen rufen.

(30.7.2023)

Peter Alois Rumpf Juli 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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