Mittwoch, 19. Juli 2023

3296 Der Gutmensch

 



9:47 a.m. Heute habe ich sogar den Einzug der Tageskinder – normalerweise ein verlässlicher Aufwecker – verschlafen. Mir soll es recht sein, denn die Hitze setzt mir zu und außer Wäschewaschen um die Mittagszeit habe ich nichts vor. Es geht dabei nämlich um die Stoffetzerl (das mit den drei Konsonanten schaut einfach sehr blöd aus. Warum traut man den Menschen nicht mehr zu, diese Schreibabkürzung zu durchschauen und zu verstehen und über das Fehlen eines Konsonanten nicht zu verzweifeln und dabei an der Sprache nicht irre zu werden?), die meine Frau, die Tagesmutter, verwendet, um den Kindern Mund, Hände etc. abzuwischen. Sie hat viele solche Tüchlein, aber am Mittwoch müssen die von Montag bis Mittwoch verwendeten gewaschen werden, weil sie mit den restlichen nicht bis zum Wochenende auskommt. Und das ist meine Aufgabe. Nach dem Mittagessen der Tagis kann ich das Zeug – natürlich mit all der anderen anfallenden Wäsche, wie zum Beispiel die Schürzchen, die die Kinder beim Essen tragen, aber auch mit der unseren, Handtücher usw. - auf 60 Grad in die Waschmaschine schmeißen. Ja, ich nehme diese Aufgabe ernst und mach mich nicht lustig darüber! Das ist ein kleiner, aber doch ein Beitrag zur Verbesserung der Welt. Doch! Doch! Trotz Verwendung von chemischen Waschmitteln. Eine Zeitlang hatte ich indische Waschnüsse verwendet, bis ich drauf gekommen bin, dass mit dem Export der Waschnüsse aus Indien gerade den Armen dort ihr günstigstes Waschmittel, das auf Bäumen wächst, gestohlen wird und sie dann gezwungen sind, chemischen Scheiß zu benutzen, der für sie sehr teuer ist und die Flüsse, in denen oft noch die Wäsche gewaschen wird, ungefiltert vergiftet. Ja, und bis meine Frau angemerkt hat, dass die Wäsche nicht mehr so strahlend ist (da in den Waschnüssen keine giftigen Bleichmittel sind). Es ist nicht leicht, ein Gutmensch zu sein. Darum bleibe ich lieber im Bett; so kann ich am wenigsten anrichten, oder? Oder? Hallo! Ich habe euch etwas gefragt! Oder? Oder darf die geistige Arbeit nicht unterschätzt werden, weil sie Arbeit am Sinnhorizont einer Gesellschaft oder einer Epoche ist, der dann der Rahmen ist, in dem gehandelt und agiert wird und der dann als Orientierung das Bezugssystem für Entscheidungen und Bewertungen abgibt? Schreiben als Arbeit am Sinnhorizont, ohne einen solchen – bewußt oder unbewußt vorgegeben – kein Handeln möglich ist, Arbeit an seinem Aufbau, an seiner Differenzierung, an seiner Veränderung (ins Gute wie ins Schlechte), seiner Anpassung an veränderten Bedingungen, an seiner Kritik und so weiter. Da kann man dann mehr anrichten als mit dem falschen Waschmittel. Weil bei schlechtem Sinnhorizont nicht nur einzelne Handlungen, sondern das Tun einer ganzen Gesellschaft, einer ganzen Epoche - beziehungsweise der sich dem blind und unreflektiert als „normal“ propagierten Sinnhorizont verpflichteten Mehrheit – falsch läuft, oder? Oder? Ihr könnt froh sein, dass ich mit meiner Schreiberei nicht über meine Schublade hinauskomme, oder? Oder? Oder könnte es sein, dass geistige Artikulierungen – gelungene wie mißlungene – irgendwie (ich könnte es eh sagen wie, aber ich will niemand überfordern), auch aus ganz abseitigen, unbekannten Regionen – in Sinnhorizont und Zeitgeist – sei es lebensbejahend, sei es destruktiv – diffundieren? Hm?

Die Geräusche aus dem Lichtschacht werden mir unheimlich. Anscheinend wird mit einem Wasserstrahl gearbeitet, aber was?

(19.7.2023)

Peter Alois Rumpf Juli 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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