Donnerstag, 22. Juni 2023

3252 In der Hitze des Tages

 



Beim Teich im Schweizergarten, hinter dem Museum des 21. Jahrhunderts (wo mir 1989 versprochen wurde, im 21.Jahrhundert dabei zu sein (kleiner, aber nicht ganzer Scherz)). Und es wird in der Gegend gebaut und umgebaut. Die Presslufthämmer und hupende Autos dominieren das akustische Geschehen. Ein paar eifrige Krähen halten noch mit. Es dröhnt und vibriert alles in meine Gehörgänge und bis in den Energiekörper. Verkehrslärm plus, also mit Flugzeugen, mit vielen bunten Flugzeugen. Wenn ich jetzt heimfahre, komme ich sicher ungelegen. Bleima no an wengerl sitzn, bleima no a wengerl do … jetzt wird irgendwo Metall durchtrennt. Der ständige Lärm vernebelt mir den Teich; Ruhe kommt keine auf. Polizeisirenen. Ein heißer Tag. Am Himmel zeigt sich schon der Umschwung an. Die Luft ist drückend und schwül. Was die Krähen alles so zu palavern haben … Eine Nebelkrähe trinkt vor mir Wasser. Kinder mit der Mutter schreien. Ich geb’s zu: die Nervösität kommt aus der Atmosphäre. Soll ich in die Lucy-Bar gehen? Wäre eine Option. Ich warte noch. Ich kann mir nicht helfen, aber heute geht mir der Teich, der Park, das ganze Ambiente auf den Zeiger. Auch meine verehrten Krähen. Auch die Enten können mir gestohlen bleiben. Überall dieser Dreck (ach! Der Herr wird empfindlich!). Die Krähen haben sich mein Gemecker zu Herzen genommen und werden ziemlich ruhig und verziehen sich in entferntere Bereiche des Parks. Die Flugzeuge nicht, die dröhnen noch zum Steinerweichen. Jetzt rinnt mir auch noch die Nase. Das Gewitter, das kommen wird, wird eine Erlösung sein.

Irgendwie stehe ich mit der Lucy-Bar – ich möchte nicht sagen, auf Kriegsfuß – aber in Anspannung. Dabei gefällt sie mir so gut, vor allem die Lampenschirme. Die Musik, wenn auch Mainstream, kann ich heute annehmen. Und die Ingwerlimonade ist gut. Es ist kühl hier herinnen, vom Lärm draußen ist man gut abgeschirmt. Die anderen Ausstellungsbesucher sind auch nicht fitter als ich und haben Bäuche, wie ich sehe, während sie an der Kasse anstehen. Trotzdem komme ich nicht zur Ruhe. Ich will heim und mich in meiner Kemenate verkriechen. Mit Entsetzen registriere ich diese Besenreiser an meinem rechten Oberschenkel, weil ich die Lesebrille auf habe und die Beine überschlagen, um das Notizbuch daselbst auflegen zu können. Ich genieße die kalte Gingerlimonade (hier wird Englisch angeschrieben) und sogleich kontrolliere ich mein Hosentürl, denn an feineren Orten fühle ich mich sofort als primitiver „Bauer“ (wie halt die Klischees so sind. Übrigens: kennen sie das?: „Der Bauer ist keck, der schmeißt des Rotz weg. Der Städter ist fein, der steckt des Rotz ein!“ Ja, ich weiß schon, damit bin ich im vorvorigen Jahrhundert). Aber ich muß die Zeit abwarten, damit ich nicht schon wieder zur Tageskinderabholzeit heim ins überfüllte Vorzimmer komme und die Eltern-Kinder-Situationen störe. Wie gesagt, ich genieße die kühle Ingwerlimonade, aber meine Nervösität werde ich nicht los. Es war die Herfahrt in der S-Bahn schon eine Herausforderung. Viel zu viele Menschen. Übrigens: ich mag es nicht, wenn für Probleme der Menschheit, die ganz komplexe Ursachen haben, die tief ins Psychologische, Soziologische, Philosophische, Pathologische, Ethische, Religiöse, Spirituelle, Bewußtseinsökonomische reichen, nur technische Lösungen vorgeschlagen werden. Das ist furchtbar hilflos, frömmlerisch und dumb. Teuer kommt mir die die Lucy-Bar vor, aber ich verstehe nichts von Wirtschaft, Betriebsleitung und Preisgestaltung, nicht wahr? Jetzt geht mir die Mainstream-Musik allmählich auf die Nerven. Mit der Wasserlache unter dem Trinkglas und rundherum habe ich jetzt mit dem Notizbuch, das ich, als ich merke, dass es mit der rechten Spitze im Wasser liegt – und da bin ich heikel – weggeschoben habe, eine schöne, kurzlebige Wassergraphik gemacht. Das war wirklich ein wunderschöne, abwechslungsreiche, wahrlich interessante Linie, nun schon zum Großteil verdunstet. Ah! Ganz langsam komme ich jetzt hier an (mein Gott! Meine Seele ist vorsintfluchtlich langsam!) und kann mich ein wenig entspannen.

(Zur Auflösung des kleinen, aber nicht ganzen Scherzes: im Jahre 1988 oder 1989 hat in Wien eine Ausstellung, kuratiert von Jan Hoet, stattgefunden unter dem Titel „Museum des 21.Jahrhunderts“, wo ich auch mit – ich kann mich nicht erinnern – zwei oder drei oder auch nur einem Bild vertreten war. Das ist sozusagen der Scherz, dass ich so tue, als wäre das ein Versprechen gewesen, im wirklichen Museum des 21. Jahrhunderts dann im 21.Jahrhundert dabei zu sein. Jedoch „nicht ganz“ ein Scherz, weil ich bei besagter Ausstellung damals tatsächlich eingeladen und beteiligt war.)




(22.6.2023)

©Peter Alois Rumpf Juni 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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