Mittwoch, 21. Juni 2023

3249 Zweizunull

 



Im Gänsehäufel. Bis jetzt war es hier ruhig, aber genau in dem Moment, als ich das Notizbuch in die Hand nehme, legen die Krähen los; vor allem eine, gleich im Baum neben mir. Ihr Krähen, wollt ihr in meinem Text verewigt sein? Aber gern! Ich fühle mich geehrt! Ich muß euch nur darauf aufmerksam machen, dass ich nicht garantieren kann, dass meine Texte überleben. Spricht viel dafür, dass sie untergehen werden. Und falls sie doch überleben – wer weiß wie lange? Also wenn es euch trotzdem recht ist, nehme ich euch in meinem Text auf: Im sanften, warmen Wind, bei den zitterblättrigen Pappeln, singen die Krähen ihre eindringlichen Lieder und immer glaube ich, sie rufen uns etwas von drüben, von der anderen Welt, hart und mitleidslos zu.

Heute hat meine Sonnencreme Lichtschutzfaktor 20, das ist weniger als der Lichtschutzfaktor 30 letztens, der meine Poesie unmöglich gemacht hat, aber für die Poesie werden die 10 weniger nicht so einen Unterschied machen. Der Wind biegt die Bäume und rüttelt sie, majestätisch wiegen sich ihre weicheren Äste. Eine Weide sehe ich auch. Weidenbaum, oh Weidenbaum … jetzt weiß ich Titel und Text vom Lied nicht mehr – es wäre auch jahreszeitlich unpassend). („Schlafe wohl, du Weidenbaum“ von Günther Kretzschmar). Ich lege mein Schreibzeug weg und lasse den Wind über meine nackte Haut streifen.

Dann trinke ich von meinem mitgebrachten und gekühlten Kräutertee (Herz, Tausendgüldenkraut, Brennessel, Brami). Drei Schwäne und zwei Gänse machen die Wiese unsicher. Was heißt da „die Wiese“! Mich machen sie unsicher; diese großen Vögel sind mir nicht geheuer. In ihrem Schutz spazieren auch ein paar Enten mit. Jetzt bin ich mir sicher: es sind die Schnitzel, die im Nudistenbeisl geklopft werden. Sehr laut für die Distanz, aber was weiß ich schon von den Gesetzmäßigkeiten der akustischen Übertragungen bei Wind. Und man hört auch das Brett, auf dem die Fleischstücke zum Klopfen gelegt werden, unter den Hammerschlägen wackeln. Gut, ich versuche es jetzt mit sportlichem Schwimmen.

Nein, sportliches Schwimmen geht nicht. Mein kaputtes Kreuz und mein lädierter Nacken spielen nicht mit. In der kleinen Bucht bin ich im Wasser stehen geblieben; die Pappeln, die die Bucht einsäumen, ragen nicht nur auf, sondern rauschen und schwingen im Wind. Der Himmel übrigens ist die ganze Zeit leicht eingetrübt, nicht strahlend blau, sondern von einer leichten, dünnen Schicht von - was weiß ich – Dunst oder Saharastaub überzogen. Da die Luft heiß ist, ist das nicht unangenehm.

Und nochmals übrigens: ich sitze polstergestützt an einem Baum gelehnt, die Beine angezogen. Immer fällt mir dazu die Zeichnung von Josef Fink „Viator“ ein, das einen so dasitzenden und rastenden Mann zeigt. Diese Bild muß sich damals in meiner späten Kindheit tief in meiner Seele eingeprägt haben, denn obwohl ich es nur damals und im Original, aber seitdem nie wieder gesehen habe, fällt es mir immer wieder ein und findet Resonanz in meiner Seele, fast wie ein „privater“ Archetypus, und ich fühle mich auch glücklich so, wie da an den Baum gelehnt sitze, im Einklang mit meiner Bestimmung, ein Wanderer, ein Pilger, der seinen Weg suchend diesen schon geht, und nun innehält und rastet und um sich schaut.

Dann lege ich mich auf den Rücken, mit den leicht gespreizten Beinen zum Stamm dieser mächtigen Pappel. Ich blicke so den Stamm und seiner schrundigen Rinde hinauf ins Geäst und auf die windzittrigen Blätter und ihr Geblinke, bis in den Himmel mit seinen Flugzeugen. Da überkommt mich ein Empfinden, als wäre dies der Stammbaum meiner Nachkommen, der aus mir erwachsen ist, und ich staune und bin voller Ehrfurcht, wer da aller nach mir kommt und dass das alles viel größer ist als ich.

Ich glaube, der Viator will bald wieder auf seinen Weg nach Hause gehen. Der Viator wird noch einmal aus seiner Flasche trinken und dann noch einmal ins Wasser gehen und dann sich für den Aufbruch herrichten. So wird es der Viator machen! Hugh! Äh, Amen! Denn er denkt schon an das viele Geschirr, dass er rechtzeitig vorm Fußballspiel erledigen will, soll, muß, kann, darf. Übrigens (zum dritten): Österreich – Schweden: 2:0.







(20.6.2023)

©Peter Alois Rumpf Juni 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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