Samstag, 17. Juni 2023

3244 Womit fange ich an?

 



9:31 a.m. Womit fange ich heute an? Mit den schön seitlich von unten vom Fenster her beleuchteten CDs am CD-Turm, was denen so eine variantenreiche Buntheit verschafft? Weil sie rechts dunkler bleiben und links heller sind und dies die meistens sowieso schon bunten Covers farbtonmäßig noch stärker variiert? Will sagen: den jeweiligen Farbton scheinbar verändert? Oder soll ich wieder einmal mit den vielen hier herumhängenden und herumlehnenden Damen beginnen? Von Modiglianis Prostituierten bis zu den drei von den fünf Sinnen des – verdammt! - Makart? Oder von der Katz’schen Jessica und seiner Dings – fällt mir nicht ein! - bis zur Freundin vom Munch? Oder von der frankophonen Schweizerin vom tja! – der Name ist mir entfallen – bis Päivis Bü? Meine Frau sitzt hängend auch irgendwo in dem Trubel und macht Spaghetti mit roter Sauce. Und viele andere, die alle aufzuzählen ich zu faul bin. Oder soll ich wahrnehmungsmäßig und beschreibungstechnisch auf die vielen Bücher hier losgehen? Ihre Farben beschreiben oder ihre jeweiligen Inhalte, soweit die mir überhaupt noch zugänglich sind, erinnerungsmäßig? Oder soll ich – um meine Leserinnen nicht allzu sehr zu verwirren – in vertrauter Tradition akustisch beginnen? Mit dem Surren in meinen Ohren vel (das heißt und/oder) dem Rauschen des Gerätes im Lichtschacht, von dem ich nie weiß, ob es eine schlichte Lüftung ist oder eine klimaschädliche Klimaanlage (aus dem Fenster schauen hülfe nichts, da ich nicht weiß, wie die - sowohl das eine wie auch das andere Gerät – ausschauen)? Übrigens hat das jetzt gerade aufgehört. Fast habe ich ein schlechtes Gewissen, dass ich das Gerät so verschreckt habe! (Gell! Schuldgefühle können auch größenwahnsinnig sein!)

Das Hohlspiegelphoto hüpft unter meinem Blick hin und her. In einem zusammengenudelten Papersackerl mit Samen von Wiesenblumen, das ich zur Aufbewahrung in ein Glas mit Deckel gepresst habe und das im Regal vor den Castaneda-Büchern steht, sehe ich ein altes, verknautschtes Gesicht. Eine Wolke, die sich vor die Sonne geschoben haben muß, verändert hier alles; sämtliche Farben werden erschreckend stumpf; meine Leselampe, die ich nun aufgedreht habe, ändert daran nicht viel. Ich höre Geräusche, als wäre jemand in der Wohnung. Das kann nicht sein, ich bin allein. Und die Katze ist auch schon tot. Ich verfalle in so eine Art Bewegungslosigkeitstrance. Keine Starre – ich bleibe weich – aber weder Geist, noch Seele, noch Leib bewegen sich. Weder angenehm noch unangenehm. Ich könnte lange so verbleiben. Die Lichtschachtlüftung und ein eine Sekunde vorher aufgedrehtes Radio gehen los. Im Nachbarhaus klopft es plötzlich an meine Wand. Jemand hämmert verbissen (unterstelle ich mal vom Rhythmus her), auch die Musik aus dem Radio wird jetzt hämmernder, übernimmt die Hammerstafette, weil der Hämmerer wieder aufgehört hat. Irgendwie prallt die Lebendigkeit suggerierende Geräuschkulisse (ja, so empfinde ich es: schlechte Kulisse in einem faden Theaterstück) an der Bewegungslosigkeit im Zimmer ab. Die Lüftung (oder was das ist) hört jetzt auf und die Musik wird wieder melodiöser. Kann denn Liebe Sünde sein? Kommt darauf an, was man unter Liebe und was man unter Sünde versteht. Mich betrifft’s weniger. Und wieder Stille. Alle Geräte schweigen und ich hatte gar nicht bemerkt, wann und dass sie aufgehört haben, als wäre mein Gehör als Informationssender abgeschaltet gewesen.




(17.6.2023)

©Peter Alois Rumpf Juni 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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