Montag, 19. Juni 2023

3245 Sommer in Wien

 



Die Krähen schreien und schreien und hören nicht auf und hüpfen auch am Boden herum. Nebelkrähen und Saatkrähen und Mestizen. Temperatur Luft und Wasser stimmen. Nur eine leichte, laue Brise von Zeit zu Zeit. Ich merke, ich bin schon hungrig. Plötzlich merke ich das, obwohl ich annehme, dass die Info schon länger eingespeist (!) wurde. Also Essen auspacken. Aber ich sinniere noch über den hydraulischen Lift, von dem ich eben erst von Peter Wohlleben gehört habe; sinnigerweise unter den riesigen, alten Pappeln. Ich fange also schon an, mich gegen mein Prinzip – kein Internet außer zu Hause am Schreibtisch! – zu versündigen.

Das Essen: Couscous, Humus, Salat (Blatt, Gurke, Tomate), von meiner Frau gemacht. Und ein Rest von meinem gestrigen Essen (Erdäpfel, Strankalan, Karfiol, Broccoli in Brösel; schon ein wenig letschert). Kanelbullar (Zimt, aber keine Nüsse, dafür Tahin; Daniela made) als Nachspeise. Gleich fängt nebenan der Kasperl an – es wird gleich laut werden. Nachtrag zu gestern: 1:1 in Belgien.

Wie immer hier bei den Nackerten ist es ruhig, entspannt und nicht überfüllt. Nur die Krähen schreien unaufhörlich. Auch hier wird gehämmert respektive geklopft. Ich frage meine kluge Frau, was da geklopft werden könnte: Schnitzel im Nudistenbeisl? Klingt so, aber kommt mir auf die Entfernung zu laut vor. Sie weiß es auch nicht. Warum weiß sie das nicht? Eine Wolke schiebt sich vor die Sonne. Das kann nur vorübergehend sein. Ich habe Durst. Ich werde gleich zur Wasserflasche greifen, sie öffnen und ein paar Schluck nehmen. So Gott will.

Ehrlich! Ich hatte vorgehabt, in der kleinen Bucht zwischen dem einen und dem anderen Ufer mindestens zehn Mal hin und her zu schwimmen (mehr Bewegung hatte die Ärztin gesagt). Aber dann bin ich auf halber Strecke zwischen Ufer West und Ufer Ost im Wasser stehen geblieben. Das Wasser geht bis zum Hals. Ich schaue aufs Ufer und auf die mächtigen Pappeln, die da im Halbkreis um die Bucht stehen und eindrucksvoll aufragen, fast ein wenig bedrohlich, sie wirken nicht nur lebendig, sondern machtvoll und beweglich, wie eine Truppe wehrhafter Krieger, als würden sie nur um mich (uns und euch: zum Beispiel die vorbeitreibenden Boote, oder die Menschenkinder, die hinter der Hecke schreien, oder die Nackten und die Roten, oder die in kesser Badekleidung, oder die Angezogenen und Abgestoßenen) zu narren ruhig stehenbleiben, denn eine Pappel habe ich gerade aus den Augenwinkel heraus erwischt, sich wellenförmig bewegt zu haben. Als sie gemerkt hat, dass ich hinschaue, ist sie sofort erstarrt und hat ganz harmlos getan. Fürchten tu ich mich vor ihnen nicht, nur dass das gesagt ist, aber unterschätzen will ich sie auch nicht. Heute ist meine linke Hand etwas lockerer.

„Kein Mensch ist illegal“ muß ich wieder, wie schon so oft, herschreiben. Das wird ein Zwang, aber betont werden muß es heutzutage wieder. Ich fürchte nur, ich sage das in erster Linie für mich zu mir.
Nehmen wir einmal an, die Bäume sind Krieger der Armee der Frau Erde, und wir sind die Aliens, oder deren fünfte Kolonne. Oder wenn schon von ihnen nicht auf Erden eingeschleust, dann weitgehend unbemerkt umprogrammiert. Werden die Pollen der Pflanzen nicht immer aggressiver? Sind wir es, die in dieser Welt tatsächlich illegal (geworden) sind? Zurück zu Sommer, Badespaß und Ferienstimmung: ein Wind kommt auf. Und das ist inmitten der Pappeln mit ihren zitternden Blättern ein schönes Schauspiel, obwohl es überhaupt kein Schauspiel ist, sondern Wirklichkeit und Leben.




(18.6.2023)

©Peter Alois Rumpf Juni 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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