Donnerstag, 25. Mai 2023

3217 Bei Gelegenheit

 



Nun sitze ich in einem Café an einer verkehrsströmungstechnisch gesehen eigentlich L-förmigen Kreuzung (will sagen: die Hauptverkehrsader biegt in der Kreuzung ab und die jeweiligen Verlängerungen sind zu Nebenstraßen herabgestuft; zumindest eine davon) und will irgendetwas schreiben (meinen Missionarismus zu bestimmten Themen, wo ich sofort loslegen könnte, halte ich hintan und versteckt), aber vom vielen Zeitungslesen schwirrt mir der Kopf und hat mich eine leichte seelische Übelkeit befallen. Das kenne ich schon lange, sehr lange, und ich führe das nicht auf die schlechten Nachrichten zurück, sondern auf die irrelevanten. Das meiste interessiert mich nicht. Aber auch an dem, was mich interessiert, bin ich bald überfressen. Das könnte damit zu tun haben, wie darüber geschrieben wird. Man könnte es auch so sagen – reden wir mißverständlich in abendländischer Sprache – was soll ein geborener Mystiker („geboren“ im juristischen Sinn) im Kaffeehaus? (Sei nicht so bigott! – der Innere Kritiker). Nun hebe ich meinen Kopf und schaue auf die mächtige Neunzehntes-Jahrhundert-Säule im L-förmigen Raum, an der Innenseite des Knicks, aber noch mit einem kleineren Nischenraum dahinter, und lasse mich fast betören, aber ich wette: sie ist innen hohl und nicht tragend und aufgefüllt mit Bauabfällen. Oder? Ich bin weder Statiker noch Architekt. Das Publikum hier ist interessant zum Anschauen, wie man es sich in einem alten Kaffeehaus vorstellt. Ich gestehe es mir ungern ein, aber auch hier passe ich nicht herein (siehe oben). Ich werde das noch ein paarmal als alternativen Schreibort ausprobieren, denn der Ort ist schon ein wenig aus der Zeit gefallen und das will ich … irgendwie … ich weiß nicht … dem will ich meine Referenz erweisen. Ich betrachte zwei weißhaarige, weißbärtige ältere Herren, beide sehr korrekt gekleidet, wie sie an zwei verschiedenen Tischen und jeder für sich, ohne Kontakt zueinander, essen und wie von einer versteckten Regie angeleitet synchron das Essen – wirklich immer zu den gleichen Zeitpunkten und im gleichen Rhythmus – ihr Essen in den Mund heben. Ein jüngeres Paar kommt herein – was heißt „jung“ – jünger als ich; ganz jung sind sie auch nicht mehr – und setzt sich hinter der Säule hin. Der L-förmige Raum – je länger ich mich umschaue, desto stärker fällt mir das auf – hat schon was in seiner außerordentlichen Antiquiertheit (ich würde ihn nicht verändern). Spielen wir, ich wäre auf Reisen. Zwei laut miteinander – ich denke: griechisch – sprechende alten Männer helfen mir dabei. Es ist schon so – fast traue ich es mir nicht hinschreiben, weil ich nicht nostalgisieren will – dass dem Ambiente hier noch Flair des vorvorigen Jahrhunderts anhaftet. Nicht zur Gänze vertrieben. Ich mein’, zu Not tun’s die Fünfzigerjahre des vorigen Jahrhunderts auch. Ich gehöre nicht hierher, aber hoffe, bei Bedarf ein wenig Unterschlupf zu finden.

„Bei Gelegenheit tät’ ich gern zahlen, bitte!“ Und das dauert!




(24.5.2023)

©Peter Alois Rumpf Mai 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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