Dienstag, 23. Mai 2023

3214 Ich habe es überprüft

 



8:27 a.m. Sowohl mein schwarzer Rabe, der beim Fenster hängt, als auch die weiße Möwe, die über meinem Bett aufgehängt ist, schaukeln hin und her. Ersteren habe ich beim Hochziehen der Rollo in Bewegung gesetzt, zweitere beim Aufsetzen im Bett. So weit so gewöhnlich. Das alles da ist Realität, ich habe es überprüft. Leicht angegriffene Realität, um genau zu sein, weil mir wieder die Augen zufallen und schon Traumelemente ganz am Rande auftauchen. Mein Wahrnehmen ist jedoch noch ganz frisch und unschuldig, als wäre ich neu in der Welt. Stimmt ja auch; ich bin doch erst aufgewacht. Wieder das Gefühl, als hätte ich keine Gedanken. Das kann nicht sein, aber vielleicht verwechsle ich Gedanken mit Urteilen. Von meinem Nacken geht ein leichter Schwindel aus.

Ich muß sagen, das alles hier, dieser Zustand ist sehr schön so, sehr angenehm, entspricht gut meiner seelischen Verfassung; ich kann es gut genießen. Jetzt ist ein leichter Schmerz in den Fingern der rechten Hand aufgekommen, der auf die ganze Hand und dann bis zum Unterarm ausstrahlt. Als wären meine Schreibmuskeln überanstrengt, was ich nicht glaube. Ich lockere gleich beide Hände um etwaige Verkrampfungen hintan zu halten.

Auch das, was ich da beschreibe, ist Leben, ist Überlebenskampf. Ich weiß schon, man stellt sich darunter etwas ganz anderes vor: ein hochgerüsteter Krieger, der souverän und selbstbewußt durch die Arena marschiert. Oder wenigstens ein schlauer Überlebenskämpfer, der unauffällig, geschickt und verstohlen durchs Geschehen schleicht. Aber das da ist auch Leben, nimmt wahr, trifft seine Entscheidungen, wird sich seiner bewußt … Ich sag ja nicht, dass ich den Lebenskampf mit dem Tod gewinne.

Es ist so still hier, obwohl ich im Vorzimmer das Fenster offen habe. Der Verkehrslärm ist weit weg hinter einigen Häuserzeilen und tönt mehr wie fernes Waldesrauschen. Ab und zu ein Taubengurren aus großem Abstand. Dann fällt irgendwo eine Tür ins Schloss, aber jedes dieser Geräusche zerstört den fernen, leisen Klangteppich nicht. Also Stille. Ich empfinde es als wohltuende Stille, die mein Herz beruhigt und meine Seele erquickt.




(23.5.2023)

©Peter Alois Rumpf Mai 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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