Montag, 1. Mai 2023

3185 Der erste Mai

 



Ich liege im Bett und döse vor mich hin. Dabei spiele ich vor meinem inneren Auge Mahjong. Der Vorteil dabei: ich kann jederzeit einen passenden Stein dazu denken; der Nachteil: es fällt mir schwer, mir die gesamte Konstellation der Steine zu merken, aber … egal ... siehe Vorteil.

Wie ich also daliege und immer wieder in traumartige Zustände kippe, ohne jedoch die reale Welt völlig zu verlieren, höre ich ferne, undeutliche Marschmusik. „Ah!“ denke ich, „die Sozialdemokratie ist herausgekommen zum ersten Mai und bläst sich den Marsch!“ Mit Marschmusik habe ich es nicht so, aber das Stück hier hat einen interessanten Rhythmus und eine interessante Struktur: es geht einige Sekunden oder Minuten flott dahin, dann kommt eine kurze Generalpause, dann geht es wieder weiter. „Interessant!“ denke ich mir, “eine aufgelockerte Variante! Die marschieren ein Stück, dann stoppen sie, dann nimmt die Musik einen neuen Anlauf und treibt die Herde wieder weiter.“ Vor meinem inneren Auge sehe ich die mittelgroße Schar zuerst marschieren, dann stehenbleiben und in die Luft hüpfen, dann wieder weitermarschieren. Das wirkt frischer, lustiger, weniger bierernst. Nicht ohne Sympathie und Wohlgefallen höre ich dieser fernen, undeutlichen musikalischen Performance zu und betrachte mit meinem inneren Auge die roten Horden hüpfend und lachend in beschwingtem Ton auf den Rathausplatz zustreben. Doch allmählich kommen mir Zweifel. Zwar kenne ich den Zeitplan der roten Liturgie nicht, aber es könnte für den Marsch zum Rathaus schon etwas spät sein. Angestrengt und konzentriert horche ich auf diese ungewöhnliche Marschmusik und langsam kommt mir der Verdacht, es handelt sich bei diesen Geräuschen um die der Waschmaschine der Nachbarn nebenan im oberen Stock. Auch da bin ich mir nicht sicher; eine Zeitlang switcht mein Bewußtsein zwischen Waschmaschine und Maiaufmarsch hin und her, ohne sich wirklich entscheiden zu können. Bis dann das Geräusch aufgehört hat. Entweder ist jetzt die Wäsche fertig oder die fröhliche Kompanie hat den Rathausplatz erreicht.

Ja und am 29.4. hatte ich mir noch als Überschrift „Das Recht auf Baustellenlärm“ notiert, ohne dass mir dazu eine Geschichte eingefallen ist.




(1.5.2023)

©Peter Alois Rumpf Mai 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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