Freitag, 28. April 2023

3183 Kleine Wanderung zum Georgenberg

 



Die Stadt liegt mir zu Füßen. Zu recht! Denn ich habe mich genug angestrengt. Schon auf den Stiegen der Lilienbergasse haben mir die Beine bis ins Kreuz herauf geschmerzt und die Markwardstiege hinauf mußte ich - im Gegensatz zu früher – zwei oder dreimal stehenbleiben und verschnaufen. Und jetzt liegt die Stadt vor mir, inklusive dem – ich nenne keine Eigenschaftswörter – Rapidstadion. Kein Sturm, nur eine leichte Brise geht durch die Luft. Jetzt erhebt sich natürlich die Frage – wiewohl ich noch sitze – ob das mit dem Zu-Füßen-Liegen präzise zutrifft, denn die Sitzbank ist so hoch, dass meine Füße den Boden nicht erreichen. Ich schwebe über der Erde – fußmäßig – und man denkt doch beim Zu-Füßen-Liegen an eine Art Besitz- oder Aufmerksamkeitsergreifung, an eine Art Okkupation und Unterwerfung, also dass man den Fuß drauf hat. Ich aber bekomme die Füße nicht auf den Boden. Mir gefällt das eh! Keine Sorge! Was fänge ich mit der Welt – inklusive der Rapid – an?

Und – ich sage es nocheinmal – das junge Grün. Ich werde die Mauer des Lainzer Tiergartens außen entlang wandern. Weit geht hier mein Blick nach Osten, bis über die Grenze.

Beim großen Handymasten brunze ich in die Natur – nicht was-weiß-ich-was! nein, so großartig war mein Brunnen nicht, aber das Surren vom Masten ist stärker als mein eigenes.

Am Georgenberg im Sternengarten. Der Wind kommt von links, vom Süden und blättert mir in die vergangenen Tage zurück. Aber nicht bis 1938, als da noch eine Luftnachrichtentruppen-Kaserne errichtet wurde.

Auf der Wanderung hierher war ich für eine kurze Weile im neunzehnten Jahrhundert, ausgelöst vielleicht durch eine lange Steinmauer und durch die unasphaltierten, aber zivilisationsnahen Wege, erdig, schottrig, mit den Lacken vom letzten Regen. Und mich hat dabei ein starkes Gefühl angeweht, eine starke Empfindung ist in mir aufgestiegen – hat mich emotional überwältigt, aber ich weiß nicht, was das war und woher das gekommen ist. Wie eine tief verdrängte, nur mehr ganz vage Erinnerung, als wäre ich damals hier oder an einem ähnlichen Ort gewesen und da wäre etwas Einschneidendes, eher Schreckliches passiert. Im neunzehnten Jahrhundert habe ich aber noch nicht gelebt, oder?

Aber jetzt sitze ich im Sternenpark in der moderaten Sonne – über den herrlich hellblauen Himmel ziehen viele dünne, weiße Wolken – auf einer freien Wiese, an manchen Stellen steinig, rundum eingesäumt von Bäumen und Sträuchern in ihrem jugendlichen Grün (die Kindheit ist vorbei!). Ich bin jetzt – so behaupte ich mal – in der Realität angekommen: unter der Föhre vor mir liegen Steine, lose aufgeschichtet; auf dem Holztisch, an dem ich schreibe, hat jemand Zweige und Stöcke abgelegt, auch ferner Baustellenlärm rundet die Realitätsidylle ab. Tauben gurren, der Wald rauscht jetzt im aufgekommenen starken Wind und die Birkenblätter rechts neben mir rascheln zustimmend. Es ist schön hier, aber ich will zur Wotrubakirche vor gehen. Ein Schluck von meinem mitgebrachten Kräutertee noch. Wieder blättert mir der Wind das Notizbuch bis 22.4. zurück, als ich die Hände von meinem Arbeitsgerät nehme, um die Trinkflasche aus dem Rucksack zu nehmen.

Nun sitze ich auf einem kalten Betonsockel der Wotrubakirche und blicke gegen Süden ins grünende Gebüsch und in den weißwolkigen hellblauen Himmel. Die Uhrzeit. Die Bäume und Büsche, die ich anstarre, starren zurück. Trotzdem werde ich unruhig. Mein Hintern ist kalt und ein Hungergefühl deutet sich an. Also bald nach Hause. Ich stelle mir immer vor, ich harre hier stundenlang aus. Aber das tue ich nie (ein naziverseuchter Ort?). Das Aufschlagen des legère hingeworfenen Notizbuches auf den Betonsockel hallt hier in dieser Nische sehr laut. Flugzeug und Amseln und ferner Baustellenlärm.




(27.4.2023)

©Peter Alois Rumpf April 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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