Freitag, 28. April 2023

3184 Ein ganz normaler Morgen

 



8:06 a.m. Ein Morgen, wie er im Buche steht. Wie in meinem noch nicht oder vielleicht gar nie veröffentlichen Buch: ein wenig grau, frisch wirkend, Baustellenlärm, die Katze schon gestreichelt und massiert, nur, dass ich mir beim Aufsetzen der Lesebrille unabsichtlich die Ziehschnur des Holzmöwenmobile über meinem Kopf mit dem Brillenbügel an meine linke Schläfe geklemmt habe. Sonst ist alles ganz normal. Mein Geist wandert vordergründig ziellos herum und erinnert sich dann an die Radiosendungen des Schriftstellers Humbert Fink aus meiner naiven frühen Jugend. Was der wohl erzählt hat? Ich kann mich nicht erinnern, nur an seine markante Stimme und dass er von seinen Reisen erzählt und dass er die besuchten Ort von ihrer Geschichte her geschildert hat. Und dass er mich damals sehr beeindruckt hat. Ich bin unsicher, wo Herr Fink hingehörte: konservativ? Fortschrittlich (was immer das heißt)? Ich will dem Mann nicht Unrecht tun, aber ich mißtraue meinem damaligen Intelligenz und der damaligen, medialen Umgebung.

Wie gesagt: ansonsten ist der Morgen normal: schrill in meinen Ohren, etwas grau (was nicht heißt, dass draußen keine Sonne scheint; meine Kemenate liegt sehr abgelegen). Mein Gesicht, meine Maske eigentlich wird noch von unsichtbaren Wellen bewegt und ist noch nicht fest. Dann lasse ich den Schlaf wieder an mir heraufkriechen, der mir immer wieder die Augen schließt.

Das Nächste, womit sich mein Geist – halb schon im Traum – beschäftigt, ist die Sojabohne. Weit ist er damit nicht gekommen, weil ich ihn mit meiner Aufschreiberei gestört habe. Sojabohnen; angeblich wurde Tofu von Mönchen entwickelt, um ihre Libido herunterzufahren. „So schmeckt es auch!“ sagt mein innerer Zyniker. Wie schaut der eigentlich aus? Ich habe starkes Ziehen um die Wangenknochen und starken Druck darunter. Tränendrüsen? Keine Ahnung, wo die sitzen (also: Morgenrecherche: Humbert Fink, Sojabohne, Tränendrüsen. Mein Arbeitsprogramm für den Vormittag gewinnt an Kontur.) (Mein innerer Zyniker: „so ein Angeber!“) (Mein innerer Leibwächter: „Hunger! Frühstück!“)

Die Frau vom Katz da an der Wand des Kastens am Fußende des Bettes hat heute ganz zugeklebte Augen. Zumindest solange ich keine Brillen aufhabe.

12:14. Die Ergebnisse der Recherche:

Humbert Fink: amtlich Luigi Umberto Fink, geboren am 13.8.1933 in Vietri sul Mare bei Salerno; gestorben am 16.5.1992 in Maria Saal. Mitglied der Gruppe 47.

Sojabohne: ob sie – wie oft behauptet – Männer verweiblicht, ist nicht belegbar; die Forschungsergebnisse sind widersprüchlich. Über Tofu und die Mönche habe ich auf die Schnelle nichts gefunden (schnell und blind ermittelt), aber was ich gefunden habe genügt.

Tränendrüsen: liegen wo anders, als ich vermutet habe.




(28.4.2023)

©Peter Alois Rumpf April 2023 peteraloisrumpf@gmail.com

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