3071 Fensterplatz
Ich stelle mir das immer so schön vor: am Fenster sitzen und
auf den kleinen, dreieckigen Platz mit den drei Bäumchen und den zwei bis drei
Bänken hinunterschauen und beschreiben, was ich sehe. Aber dann ist es nie so:
ich sitze schlecht und unbequem am Fenster und die Inspiration ist nicht so
toll wie erwartet. Heute, an diesem strahlend schönen, kalten Wintermorgen bin
ich beim sonnigen Schieben des Krippenwagens und dem anschließenden
Katzen-Futter-Nachschub-Einkaufen-Fahren auf die Idee gekommen, diesmal nicht
in meine lichtschachtfinstere Kemenate zurückzukehren, sondern an einem
sonnenhelleren Platz zu verweilen – wenn mir schon kein Ausflug einfallen will:
am Fenster zum Beispiel – obwohl ich schon weiß, dass die Erwartung nie
aufgeht. Jetzt sitze ich wenigstens im helleren Musikzimmer – als solches
momentan außer Betrieb – weil es zurzeit als Lagerraum genutzt wird. Die Katze
klettert an mir herum und gibt keine Ruh. Nichts da mit wahrnehmerischer
Versenkung und poetischer Trance.
Jetzt versuche ich es doch, am Fensterbrett zu sitzen und
hinunter zu schauen. Nachdem ich das am Fensterbrett abgelegte Zeugs zur
rechten Seite geschoben habe, wuchte ich sehr mühsam meinen mühselig und
beladenen Körper, der gerade wieder zu verkäfern scheint, hoch; der Vorhang
stört, das Fensterbrett ist etwas zu schmal … mein Blick auf den ansprechenden
Platz unten (was spricht er denn?) ist vom Holz der Fensterrahmen – ich meine
die dicken Rahmen der einzelnen Fensterflügel – verstellt, das sich direkt vor
meinem Gesicht befindet, wenn ich hinunterschauen will. Ich muß den Kopf
verdrehen um zu sehen.
Auf einer Bank unten ißt ein junger barhäuptiger Mann ein
Gebäck. Der Straßenkehrer, der vorhin noch pausierend und rauchend
herumgetranzt ist – also: auf und ab gegangen – hat sich irgendwohin verzogen;
sein Wagerl steht vereinsamt an der Hauswand gegenüber. Zwei Frauen schreiten
feierlich und prozessional mitten auf der Straße. Eine andere, rosabetonte geht
am Gehsteig vulgo Trottoir in die andere Richtung (Nordost). Baulärm:
anscheinend unvermeidlich. Autos fahren hier nicht viel: es ist ein ruhiger
Platz, was den Autoverkehr betrifft. Noch eine Frau. Ich sehe elf abgestellte
Autos, einige Motorräder und Roller, und einige Fahrräder (ihr wißt schon:
veganes Reiten). Ein Mann, eine Frau auf unterschiedlichen Routen. Der junge
Esser hat sich verzupft, ohne dass mir sein Abgang aufgefallen ist. Ein Auto
rollt herein. Eine Frau mit Kinderwagen. Noch eine Frau. Ich höre
Kindergeplapper von der Straße, ohne jedoch die Kinder zu sehen. Das ist kein
Wunder, denn mein Blickfeld übersieht nicht die gesamte Straße, weshalb ich die
Kinder leicht übersehen haben kann, wenn sie auf unserer Seite der Straße am
Gehsteig gegangen sind. Ein Lastwagen rollt vorbei (mittlere Größe). Etwas
Schnee in den Baumkreisen. Die Sonne erfaßt immer mehr von den Fassaden der
gegenüber liegenden Häuser. Der Himmel ist strahlend blau mir sachter, leichter
Dunstbeimischung. Zwei Autos, eines davon rot. Noch eine Frau in Rosa. Der Wagen
des Straßenkehrers steht immer noch vereinsamt da (ich kenne den Job: ich habe
meinen Zivildienst bei der MA 48 Straßenreinigung absolviert). Zwei Männer
Richtung Nordost. Auf einigen Autodächern liegt noch Schnee. Allmählich spüre
ich meine verkrampfte Sitzerei im Kreuz und mein verdrehtes Geschau im Knack
(das ist der Nacken). Blauer Mann mit Hund. Die ersten geparkten Autos werden
von der Sonne aufgestrahlt. Frau mit Hund. Der Hund schnüffelt dreist in den
drei Baumkreisen herum, brunzt, scheißt (hier verboten!), die Frau sucht und findet in
ihren Jackentaschen kein Sackerl fürs Gackerl und - wusch! - ist sie mit Hund
verschwunden. In einem der drei kahlen Bäume hängen irgendwelche Fetzerln. Eine Frau geht am Handy lesend. Kastenwagen, grau. Frau in weißem Mantel. Ziemlich
still und bewegungsarm der kleine dreieckige Platz – nur die Fetzerl im Baum
bewegt der Wind – dann kommt ein Muldenlaster. Bis ich mit dem Satz fertig bin,
ist er längst wieder weg und es hier ruhig. Ein Auto aus dem Bezirk Gänserndorf
fährt vorbei. Eine flache, gehobene Limousine. Langsam tun mir Hintern und
Nacken weh und nervt mich die Schreiberei. Ein Mann ganz in Schwarz. Ein
Kastenwagen. Der Straßenkehrer macht immer noch Pause. Ein schwarzes Auto. Ein
Kühlwagen. Ein blauer Radfahrer mit flotter blauer Kappe mit Schirm.
Kastenwagen weiß. Mir reicht’s! Schwarzes Auto. In den Baumkreisen die
gefrorenen Pissstellen der Hunde, an der dunkleren Färbung erkennbar. Die armen
überpissten Bäume! Der Wagen des Straßenkehrers steht immer noch unverändert
da. Der Himmel wird immer blauer. Rauch aus einem Rauchfang. Ein rotes Auto.
Schmerzen beim Aufstehen von meinem Sitzplatz. Ich gehe zurück in meine
Kemenate als alter Mann. (Beim Eintippen des Textes eine gute Stunde später
steht der Wagen des Straßenkehrers immer noch unverändert da.)
(7.2.2023)
©Peter Alois
Rumpf Februar 2023 peteraloisrumpf@gmail.com
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