Dienstag, 7. Februar 2023

3071 Fensterplatz

 

Ich stelle mir das immer so schön vor: am Fenster sitzen und auf den kleinen, dreieckigen Platz mit den drei Bäumchen und den zwei bis drei Bänken hinunterschauen und beschreiben, was ich sehe. Aber dann ist es nie so: ich sitze schlecht und unbequem am Fenster und die Inspiration ist nicht so toll wie erwartet. Heute, an diesem strahlend schönen, kalten Wintermorgen bin ich beim sonnigen Schieben des Krippenwagens und dem anschließenden Katzen-Futter-Nachschub-Einkaufen-Fahren auf die Idee gekommen, diesmal nicht in meine lichtschachtfinstere Kemenate zurückzukehren, sondern an einem sonnenhelleren Platz zu verweilen – wenn mir schon kein Ausflug einfallen will: am Fenster zum Beispiel – obwohl ich schon weiß, dass die Erwartung nie aufgeht. Jetzt sitze ich wenigstens im helleren Musikzimmer – als solches momentan außer Betrieb – weil es zurzeit als Lagerraum genutzt wird. Die Katze klettert an mir herum und gibt keine Ruh. Nichts da mit wahrnehmerischer Versenkung und poetischer Trance.

Jetzt versuche ich es doch, am Fensterbrett zu sitzen und hinunter zu schauen. Nachdem ich das am Fensterbrett abgelegte Zeugs zur rechten Seite geschoben habe, wuchte ich sehr mühsam meinen mühselig und beladenen Körper, der gerade wieder zu verkäfern scheint, hoch; der Vorhang stört, das Fensterbrett ist etwas zu schmal … mein Blick auf den ansprechenden Platz unten (was spricht er denn?) ist vom Holz der Fensterrahmen – ich meine die dicken Rahmen der einzelnen Fensterflügel – verstellt, das sich direkt vor meinem Gesicht befindet, wenn ich hinunterschauen will. Ich muß den Kopf verdrehen um zu sehen.

Auf einer Bank unten ißt ein junger barhäuptiger Mann ein Gebäck. Der Straßenkehrer, der vorhin noch pausierend und rauchend herumgetranzt ist – also: auf und ab gegangen – hat sich irgendwohin verzogen; sein Wagerl steht vereinsamt an der Hauswand gegenüber. Zwei Frauen schreiten feierlich und prozessional mitten auf der Straße. Eine andere, rosabetonte geht am Gehsteig vulgo Trottoir in die andere Richtung (Nordost). Baulärm: anscheinend unvermeidlich. Autos fahren hier nicht viel: es ist ein ruhiger Platz, was den Autoverkehr betrifft. Noch eine Frau. Ich sehe elf abgestellte Autos, einige Motorräder und Roller, und einige Fahrräder (ihr wißt schon: veganes Reiten). Ein Mann, eine Frau auf unterschiedlichen Routen. Der junge Esser hat sich verzupft, ohne dass mir sein Abgang aufgefallen ist. Ein Auto rollt herein. Eine Frau mit Kinderwagen. Noch eine Frau. Ich höre Kindergeplapper von der Straße, ohne jedoch die Kinder zu sehen. Das ist kein Wunder, denn mein Blickfeld übersieht nicht die gesamte Straße, weshalb ich die Kinder leicht übersehen haben kann, wenn sie auf unserer Seite der Straße am Gehsteig gegangen sind. Ein Lastwagen rollt vorbei (mittlere Größe). Etwas Schnee in den Baumkreisen. Die Sonne erfaßt immer mehr von den Fassaden der gegenüber liegenden Häuser. Der Himmel ist strahlend blau mir sachter, leichter Dunstbeimischung. Zwei Autos, eines davon rot. Noch eine Frau in Rosa. Der Wagen des Straßenkehrers steht immer noch vereinsamt da (ich kenne den Job: ich habe meinen Zivildienst bei der MA 48 Straßenreinigung absolviert). Zwei Männer Richtung Nordost. Auf einigen Autodächern liegt noch Schnee. Allmählich spüre ich meine verkrampfte Sitzerei im Kreuz und mein verdrehtes Geschau im Knack (das ist der Nacken). Blauer Mann mit Hund. Die ersten geparkten Autos werden von der Sonne aufgestrahlt. Frau mit Hund. Der Hund schnüffelt dreist in den drei Baumkreisen herum, brunzt, scheißt (hier verboten!), die Frau sucht und findet in ihren Jackentaschen kein Sackerl fürs Gackerl und - wusch! - ist sie mit Hund verschwunden. In einem der drei kahlen Bäume hängen irgendwelche Fetzerln. Eine Frau geht am Handy lesend. Kastenwagen, grau. Frau in weißem Mantel. Ziemlich still und bewegungsarm der kleine dreieckige Platz – nur die Fetzerl im Baum bewegt der Wind – dann kommt ein Muldenlaster. Bis ich mit dem Satz fertig bin, ist er längst wieder weg und es hier ruhig. Ein Auto aus dem Bezirk Gänserndorf fährt vorbei. Eine flache, gehobene Limousine. Langsam tun mir Hintern und Nacken weh und nervt mich die Schreiberei. Ein Mann ganz in Schwarz. Ein Kastenwagen. Der Straßenkehrer macht immer noch Pause. Ein schwarzes Auto. Ein Kühlwagen. Ein blauer Radfahrer mit flotter blauer Kappe mit Schirm. Kastenwagen weiß. Mir reicht’s! Schwarzes Auto. In den Baumkreisen die gefrorenen Pissstellen der Hunde, an der dunkleren Färbung erkennbar. Die armen überpissten Bäume! Der Wagen des Straßenkehrers steht immer noch unverändert da. Der Himmel wird immer blauer. Rauch aus einem Rauchfang. Ein rotes Auto. Schmerzen beim Aufstehen von meinem Sitzplatz. Ich gehe zurück in meine Kemenate als alter Mann. (Beim Eintippen des Textes eine gute Stunde später steht der Wagen des Straßenkehrers immer noch unverändert da.)

 

(7.2.2023)

©Peter Alois Rumpf  Februar 2023   peteraloisrumpf@gmail.com

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