3059 Kunst hin oder her
Im Einundzwanzigerhaus. Meine gültige Jahreskarte, die ich
vor vier Wochen erstanden habe, funktioniert nicht. Also ohne Umwege in die
Lucy-Bar. Ich sitze schon ein paar Minuten … ah jetzt kommt wer die Bestellung
aufzunehmen. Cappuccino, wie es meine Gewohnheit geworden ist. Früher war ich
immer auf Melange, als stiller Protest gegen die Italophilie vor allem unserer
Damen und zur Verteidigung des französischen Erbes in Wien. Aber seit ich weiß,
dass der Cappuccino der zunächst über die K-K-Armee aus Wien nach Italien
weitergewanderte Kapuziner ist (Wikipedia: „Der Kapuziner ist
eine Kaffeezubereitungsart der Wiener
Kaffeehauskultur. Er ist ein
kleiner Mokka mit wenigen Tropfen Schlagobers, die dem Kaffee die Farbe einer Kapuzinerkutte geben. Gelegentlich wird auch ein starker Kaffee
mit Schlagobers und Schokoladenpulver bestreut als „Kapuziner“ angeboten.“), der dann
italienisiert als Cappuccino wieder eingewandert ist, bin ich umgestiegen.
Soviel Patriotismus darf sein! Ganz leicht ist es mir nicht gefallen, die
französische Tradition Wiens fallen zu lassen, weil ich die schon als Kind im
steirischen Ennstal aufgewachsen von unserer aus Wien importierten
Hausmeisterin – Frau Kruntorad – inoffiziell ins Steirische sprachlich eingebürgert
als Frau Grundrad – aufgenommen habe, wenn besagte Meisterin uns zornig, wild
und oft prophylaktisch anschrie: „Geht’s jo net owa vom Trottorar! Jo net in
Rasn steign! Eis Bankert!“
Also gut, in der Lucy-Bar. Der Kaffee geht so, aber ist
nicht wirklich gut. Ich würde als Bürgermeister von Wien anordnen, dass nur
diejenigen gewerblich Kaffee ausschenken dürfen, die einen Baristakurs besucht
haben und gut geröstete Kaffeebohnen zu verwenden bereit sind. Allen anderen
wird die Lizenz zur Kaffeeausschank entzogen. Aus! Basta! Ich lache schon über
die arroganten Kellner in den altwienerischen Kaffeehäusern, die etwas
dazulernen müssen. Die Überprüfung meiner Jahreskarte ist immer noch nicht
abgeschlossen. Ein unerklärlicher Fehler im System. Das passt zu mir, denn so
fühle ich mich auch oft hier auf Erden. Die Lampen in der Lucy-Bar sind
wirklich toll. Ich gehe herum und photographiere einige. Ah, jetzt bringt mir
der wirklich freundliche und hilfbereite Mann vom Schalter (keine Wiener
Akzent! Ich tippe auf norddeutsch oder skandinavisch), der meine spinnerte
Jahreskarte bearbeitet hat, eine neue her zum Cafétisch und da er sie erst ab
heute gültig geschalten (sic! So viel Wienerisch darf sein) hat, habe ich einen
Monat Gültigkeit dazugewonnen. So ähnlich werde ich es auch mit meinem
Ablebensdatum zu machen versuchen: ein Fehler im System und Neustart!
Machen die das mit dem schlechten Kaffee absichtlich, damit
nicht so viele kaffeetrinkende Leser und Schreiber herumsitzen, sondern mehr
Esser und Trinker? Zeitungen gibt es eh nicht beziehungsweise ich find keine.
Schluß mit den Schwurblereien. Ich gehe Bilder schauen.
Ich bin durch die Ausstellungen gegangen und sitze nun im
Foyer. Der Rockenschaub - den ich nicht so mag – blinkt und blinzelt aus der
großen Halle herüber. Geht schon! Warum denke ich jetzt an Neuseeland? Der Mann
am Nebengestühl spricht mit überzeichnetem Mund, als wäre sein Gesicht durch
ein Comicprogramm gelaufen. Gibt es hier und jetzt einen Baby-Mütter-Treff?
Langsam nervt das Gezappel und Gezucke vom Rockenschaub, das mir ständig von
der Seite her ins Gesichtsfeld flasht. Der Comic-Mund spricht steirisch (was
man normalerweise unter Steirisch versteht). Noch mehr Mütter und Babys. Zwei
Damen vom Haus mit Erkennungsmarken um den Hals gehängt führen alle Mütter mit
Babys zum Lift. Eine Nachzüglerin eilt gerade herein. Der Comic-Mouth rennt
jetzt verloren herum. Ich, der ich verloren herumsitze, werde mich jetzt nach
Hause aufmachen; Kunst hin oder her.
(25.1.2023)
©Peter Alois
Rumpf Jänner 2023 peteraloisrumpf@gmail.com
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