Mittwoch, 25. Januar 2023

3059 Kunst hin oder her

 

Im Einundzwanzigerhaus. Meine gültige Jahreskarte, die ich vor vier Wochen erstanden habe, funktioniert nicht. Also ohne Umwege in die Lucy-Bar. Ich sitze schon ein paar Minuten … ah jetzt kommt wer die Bestellung aufzunehmen. Cappuccino, wie es meine Gewohnheit geworden ist. Früher war ich immer auf Melange, als stiller Protest gegen die Italophilie vor allem unserer Damen und zur Verteidigung des französischen Erbes in Wien. Aber seit ich weiß, dass der Cappuccino der zunächst über die K-K-Armee aus Wien nach Italien weitergewanderte Kapuziner ist (Wikipedia: „Der Kapuziner ist eine Kaffeezubereitungsart der Wiener Kaffeehauskultur. Er ist ein kleiner Mokka mit wenigen Tropfen Schlagobers, die dem Kaffee die Farbe einer Kapuzinerkutte geben. Gelegentlich wird auch ein starker Kaffee mit Schlagobers und Schokoladenpulver bestreut als „Kapuziner“ angeboten.“), der dann italienisiert als Cappuccino wieder eingewandert ist, bin ich umgestiegen. Soviel Patriotismus darf sein! Ganz leicht ist es mir nicht gefallen, die französische Tradition Wiens fallen zu lassen, weil ich die schon als Kind im steirischen Ennstal aufgewachsen von unserer aus Wien importierten Hausmeisterin – Frau Kruntorad – inoffiziell ins Steirische sprachlich eingebürgert als Frau Grundrad – aufgenommen habe, wenn besagte Meisterin uns zornig, wild und oft prophylaktisch anschrie: „Geht’s jo net owa vom Trottorar! Jo net in Rasn steign! Eis Bankert!“

Also gut, in der Lucy-Bar. Der Kaffee geht so, aber ist nicht wirklich gut. Ich würde als Bürgermeister von Wien anordnen, dass nur diejenigen gewerblich Kaffee ausschenken dürfen, die einen Baristakurs besucht haben und gut geröstete Kaffeebohnen zu verwenden bereit sind. Allen anderen wird die Lizenz zur Kaffeeausschank entzogen. Aus! Basta! Ich lache schon über die arroganten Kellner in den altwienerischen Kaffeehäusern, die etwas dazulernen müssen. Die Überprüfung meiner Jahreskarte ist immer noch nicht abgeschlossen. Ein unerklärlicher Fehler im System. Das passt zu mir, denn so fühle ich mich auch oft hier auf Erden. Die Lampen in der Lucy-Bar sind wirklich toll. Ich gehe herum und photographiere einige. Ah, jetzt bringt mir der wirklich freundliche und hilfbereite Mann vom Schalter (keine Wiener Akzent! Ich tippe auf norddeutsch oder skandinavisch), der meine spinnerte Jahreskarte bearbeitet hat, eine neue her zum Cafétisch und da er sie erst ab heute gültig geschalten (sic! So viel Wienerisch darf sein) hat, habe ich einen Monat Gültigkeit dazugewonnen. So ähnlich werde ich es auch mit meinem Ablebensdatum zu machen versuchen: ein Fehler im System und Neustart!

Machen die das mit dem schlechten Kaffee absichtlich, damit nicht so viele kaffeetrinkende Leser und Schreiber herumsitzen, sondern mehr Esser und Trinker? Zeitungen gibt es eh nicht beziehungsweise ich find keine. Schluß mit den Schwurblereien. Ich gehe Bilder schauen.

Ich bin durch die Ausstellungen gegangen und sitze nun im Foyer. Der Rockenschaub - den ich nicht so mag – blinkt und blinzelt aus der großen Halle herüber. Geht schon! Warum denke ich jetzt an Neuseeland? Der Mann am Nebengestühl spricht mit überzeichnetem Mund, als wäre sein Gesicht durch ein Comicprogramm gelaufen. Gibt es hier und jetzt einen Baby-Mütter-Treff? Langsam nervt das Gezappel und Gezucke vom Rockenschaub, das mir ständig von der Seite her ins Gesichtsfeld flasht. Der Comic-Mund spricht steirisch (was man normalerweise unter Steirisch versteht). Noch mehr Mütter und Babys. Zwei Damen vom Haus mit Erkennungsmarken um den Hals gehängt führen alle Mütter mit Babys zum Lift. Eine Nachzüglerin eilt gerade herein. Der Comic-Mouth rennt jetzt verloren herum. Ich, der ich verloren herumsitze, werde mich jetzt nach Hause aufmachen; Kunst hin oder her.

 

(25.1.2023)

©Peter Alois Rumpf  Jänner 2023   peteraloisrumpf@gmail.com

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