2886 Wilde Zacken
9:40 a.m. Mali Lošinj ist heute so klar, freundlich, gut
drauf und glücklich. Und Rettenschoess wirkt auch so. Veli Lošinj ebenfalls,
allerdings verbleibt ein still dumpferer Touch. Ich habe in meinem
Gesichtsfeld wieder diese leuchtenden Zacken, sodass ich mich frage: wo kommt
meine Seele gerade her? Geträumt habe ich von einem alternativen Volksfest am
Land, so eine Art Kirtag für sozial und emanzipativ Engagierte. (Die Zacken
werden stärker, mein Herzklopfen auch.) Ziehen in der Herzgegend: ich lehne es
ab, mich zu fürchten. Ich sollte von der Zeit her einigermaßen ausgeschlafen
sein. Diese leuchtenden, zuckenden Zacken sind noch da und machen interessante,
bewegte, schöne Muster in mein Gesichtsfeld. Die Augen werden mir müde und
fallen zu. Bei geschlossenen Augen bewegen sich die Zacken nicht. Sie schweben
wie schöne, moderne, leuchtende Schmuckstücke im Dunklen. Mit meiner Erlaubnis
darf ich einschlafen. Bei geöffneten Augen (zum Schreiben) wird in meinem
Gesichtsfeld wieder voll gezackt. Erst jetzt fällt mir ein, meine linke Hand,
die das Notizbuch fanatisch festhält, zu entkrampfen. Meine linke Hand vor mir
ist von halbkreis- und sichelförmigen wunderschönen Lichtzacken beinah
verdeckt; so sehr spielt es sich jetzt ab. Ich schließe meine Augen und es wird
ruhig. Zum Notieren öffne ich sie und der Lichtertanz setzt erneut voll ein.
Das ist wirklich schön anzuschauen. Bei geschlossenen Augen fährt die Szenerie,
aus der nun zuckende Lichtkreise geworden sind, wieder herunter, aber das
Vibrieren der Lichtpunkte bleibt jetzt, ehe es von einer schwarzen, männlichen
Gestalt magnetisch eingesammelt wird.
Der Mann - offensichtlich ein
Schwarzafrikaner – geht dann von der Bühne hinter meinen Lidern mit den
Lichtpunkten ab. Ich spüre, wie ein leichter Druck auf meinem dritten Auge
anhebt und sehe, wie das leuchtende Vibrieren jetzt auch bei geschlossenen
Augen von unten, aber als kompaktes Konglomerat ins dunkle Gesichtsfeld
eintritt. Bei offenen Augen sind es ganze gezackte Liniennetze und Kreise, die
offen und intensiv vor meiner Wahrnehmung tanzen. Ich spiele ein wenig mit
Augen öffnen und Augen schließen. Ich habe die Augen wieder offen und die
Zacken, die das wahrgenommene Bild vershattern, ziehen sich, wenn ich zum
Plafond aufschaue, an die Ränder zurück und mein mittiger Blick wird
außergewöhnlich klar und rein. Selbst Veli Lošinj erstrahlt ohne Vorbehalte und
Bedenken in ganz klarer, freudiger Schönheit. Die Zacken sind weg.
Die Geräusche einer Wasserstrahlreinigung – vermutlich von
der benachbarten Baustelle – stören mich nicht. Meine linke Hand ist noch oder
schon wieder verkrampft; zwischendurch habe ich das völlig ausgeblendet. Mein
Blick ist jetzt so rein, dass sich die frankophone Schweizerin nicht mehr im
Bild, sondern unmittelbar davor im Raum befindet. Es würde mich nicht wundern,
begänne sie sich zu bewegen und zu sprechen (Mon Dieu! Mein Französisch!). Sie
bleibt allerdings still und unbewegt beim Regal dort. Bevor ich zum Frühstück
aufstehe, blicke ich nochmals zu meinen drei Bildern auf, an denen und ihrer
freudigen Ausstrahlung ich mich nicht satt sehen kann. Aber eine mächtige,
wunderbare, unendliche Müdigkeit holt mich ein und läßt mich in Schlaf versinken.
(14.9.2022)
©Peter
Alois Rumpf September 2022 peteraloisrumpf@gmail.com
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]
<< Startseite