2883 Die Kettensäge
9:18.a.m. Ich knirsche mit den Zähnen, fällt mir auf, und
weiß nicht warum. Der Traum meiner gestohlenen Keramikbecher wirkt noch nach.
Aussteller ohne Ausstellungsgut. Keine Ahnung von der Welt, weltfremd bis zum
Geht-nicht-mehr. Die Kettensäge in der Nachbarschaft macht mich narrisch. Ihr
mopedartiges Rauf- und Runtergeheule reizt meine Nerven bis aufs Blut, dieses
ständige, unruhige „Anfahren“ und „Einbremsen“. Zitternd liege ich aufrecht im
Bett. Ich beruhige meine Beine und fange bei den Fußsohlen an: „ihr ruht ganz
ruhig auf dem Leintuch“. Das Motorgeplärre wird schon leiser, ist schon weiter
weg. Meine Augen fangen zu flimmern an und die Lider zu zucken und die Lippen
zu vibrieren. Ich löse die Verkrampfung der linken Hand. Der depperte Motor
heult lange, intensiv, hochtourig und wieder näher auf. Ich bin jetzt besser
geschützt. Ich fürchte jetzt nicht, dass die mir ihrer Kettensäge auf mich
losgehen. Was heißt „ich“? Mein Unterbewußtsein mit seinen abgespeicherten
Erinnerungen. Männerdialog aus dem Lichtschacht: kurz, prägnant, sauber
portioniert, deutlich artikuliert – aber ich verstehe hier gottseidank kein
Wort. Die Motorsäge arbeitete weiter – so viele Bäume kann es im Nachbarhof gar
nicht geben – was legen die die ganze Zeit um? Ich bewege meine Zehen. Ein
leichtes Brennen entsteht so auf meinen Fußsohlen. Unverstandener Dialog Mann –
Frau aus dem Lichtschacht; gänzlich anderer Sound. Ich bleibe im Bett um zu
lesen. Gestern ist Marías gestorben.
(12.9.2022)
©Peter
Alois Rumpf September 2022 peteraloisrumpf@gmail.com
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