Donnerstag, 25. August 2022

2860 Der CD-Player itself

 

2:01 a.m. Bei der Abendtoilette fällt mir auf: ich habe heute die Wohnung gar nicht verlassen (aufgefallen ist es mir, weil sich mein Gebiss noch in seinem Nachtlager befunden hat) und mir ist dabei gar nichts abgegangen. Nun allerdings hocke ich in meiner nach-medien-konsumistischen Schwermut im Bett und betrachte die leicht Licht reflektierenden Teile der Seitenflächen des linken Lautsprechers und meines CD-Players itself. Eine interessante Kombination dieses gelbliche Licht, wie zu dünn ausgeschüttet auf dem Schwarz des Gerätes, dass es es nicht abdecken kann. Ich hebe bewußt und in voller Absicht meinen Kopf, um meinen Blick in die Höhe zu den Landschaften zu bekommen – um den Blick auf den nackerten Weibern zu vermeiden – und stelle fest: Rettenschoess hat einen neuen, bisher nicht vorgefundenen Bewohner. Ein Wesen mit großen, froschartigen Augen, eine dunkle, kaum auszumachende Gestalt, verschmilzt da im Schatten fast mit der Landschaft und nimmt zirka den siebenten Teil der horizontalen Größe des Bildes ein. Jetzt sind es schon vier Augen. Aber vielleicht sind es gar keine Augen, sondern Riesenglühwürmchen und die Gestalt gibt es gar nicht. Mein Blick bleibt nun doch an einer Neunzehntes-Jahrhundert-Nackerten hängen und ich bewundere und genieße den Hüftschwung (damit es kein Mißverständnis gibt: im neunzehnten Jahrhundert hätte ich keine Chance gehabt: weder bei den Frauen, noch überhaupt beim Überleben). Irgendetwas zieht auf mein Herz zu, von meiner verkrampften linken Hand aus. Jetzt bleibt mein Blick auf dem Busen einer der Modigliani-Prostituierten-Modelle - eine Frau von wirklich schöner Gestalt – während ich gedankenverloren in der Nase bohre. Kein Wunder, dass ich es in meinem Leben nicht weit gebracht habe, so desorientiert und scheinanwesend wie ich bin. Ich amüsiere mich über mein Bildchen vom schiefköpfigen Zelebranten, das mir in seiner Farbgestaltung, Linienführung und Flächenbearbeitung sehr gut gefällt; könnt' schon sein, dass mir da ein Kleinod gelungen ist, wiewohl es sein könnte, dass nur in der Kopie durch das Kopierverfahren die Farben so toll geworden sind. Das Original habe ich nicht mehr: leichtsinnig verschenkt wie viele meiner Bilder, weil ich das Auftauchen auf Hochzeiten, Geburtstagen etc ohne ordentliches normales Geschenk, was ich mir fast nie wirklich leisten hätte können, nicht ausgehalten habe. Wobei das „leichtsinnig“ sich nicht auf das Verschenken selbst bezieht, sondern auf die Beschenkten, wo ich manchmal unterstelle, dass sie mit meinen Bildern nicht viel anfangen konnten. Aber auf meine Endabrechnung bei meinem Absterben-Amen bin ich schon neugierig: wenn sich mir auch zeigen wird, was ich mit solchen Geschenken angerichtet habe – im Guten wie im Unguten.

 

(25.8.2022)

©Peter Alois Rumpf  August 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

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