2860 Der CD-Player itself
2:01 a.m. Bei der Abendtoilette fällt mir auf: ich habe
heute die Wohnung gar nicht verlassen (aufgefallen ist es mir, weil sich mein
Gebiss noch in seinem Nachtlager befunden hat) und mir ist dabei gar nichts
abgegangen. Nun allerdings hocke ich in meiner nach-medien-konsumistischen
Schwermut im Bett und betrachte die leicht Licht reflektierenden Teile der
Seitenflächen des linken Lautsprechers und meines CD-Players itself. Eine
interessante Kombination dieses gelbliche Licht, wie zu dünn ausgeschüttet auf
dem Schwarz des Gerätes, dass es es nicht abdecken kann. Ich hebe bewußt und in
voller Absicht meinen Kopf, um meinen Blick in die Höhe zu den Landschaften zu
bekommen – um den Blick auf den nackerten Weibern zu vermeiden – und stelle
fest: Rettenschoess hat einen neuen, bisher nicht vorgefundenen Bewohner. Ein
Wesen mit großen, froschartigen Augen, eine dunkle, kaum auszumachende Gestalt,
verschmilzt da im Schatten fast mit der Landschaft und nimmt zirka den
siebenten Teil der horizontalen Größe des Bildes ein. Jetzt sind es schon vier
Augen. Aber vielleicht sind es gar keine Augen, sondern Riesenglühwürmchen und
die Gestalt gibt es gar nicht. Mein Blick bleibt nun doch an einer
Neunzehntes-Jahrhundert-Nackerten hängen und ich bewundere und genieße den
Hüftschwung (damit es kein Mißverständnis gibt: im neunzehnten Jahrhundert
hätte ich keine Chance gehabt: weder bei den Frauen, noch überhaupt beim
Überleben). Irgendetwas zieht auf mein Herz zu, von meiner verkrampften linken
Hand aus. Jetzt bleibt mein Blick auf dem Busen einer der
Modigliani-Prostituierten-Modelle - eine Frau von wirklich schöner Gestalt –
während ich gedankenverloren in der Nase bohre. Kein Wunder, dass ich es in
meinem Leben nicht weit gebracht habe, so desorientiert und scheinanwesend wie
ich bin. Ich amüsiere mich über mein Bildchen vom schiefköpfigen Zelebranten,
das mir in seiner Farbgestaltung, Linienführung und Flächenbearbeitung sehr gut
gefällt; könnt' schon sein, dass mir da ein Kleinod gelungen ist, wiewohl es
sein könnte, dass nur in der Kopie durch das Kopierverfahren die Farben so toll
geworden sind. Das Original habe ich nicht mehr: leichtsinnig verschenkt wie
viele meiner Bilder, weil ich das Auftauchen auf Hochzeiten, Geburtstagen etc
ohne ordentliches normales Geschenk, was ich mir fast nie wirklich leisten
hätte können, nicht ausgehalten habe. Wobei das „leichtsinnig“ sich nicht auf
das Verschenken selbst bezieht, sondern auf die Beschenkten, wo ich manchmal
unterstelle, dass sie mit meinen Bildern nicht viel anfangen konnten. Aber auf
meine Endabrechnung bei meinem Absterben-Amen bin ich schon neugierig: wenn
sich mir auch zeigen wird, was ich mit solchen Geschenken angerichtet habe – im
Guten wie im Unguten.
(25.8.2022)
©Peter
Alois Rumpf August 2022 peteraloisrumpf@gmail.com
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