Mittwoch, 24. August 2022

2859 Männele

 

Verdammt noch mal! Ich schlage mich zurzeit mit Sperbern und Adlern herum: so genau wollte ich individualpsychologisch auch wieder nicht aufgedeckt werden!

Ich sitze auf der Fensterbank im zweiten Stock bei offenem Fenster; nicht ohne Höhenangst, aber halte mich tapfer, nur den Anblick von oben auf den kleinen Platz mit den drei Bäumchen und den drei Bänken kann ich nicht recht genießen. Gar nicht eigentlich. Auch die Geräusche des Baukrans links hinter meinem Rücken beunruhigen mich und ich empfinde sie als bedrohlich. Ich nehme die Lesebrille ab und zwinge mich hinunter zu schauen. Eine junge Frau sitzt auf einer Bank und schaut in ihr Smartphone (bei mir sind alle Frauen jung, die nicht alt sind). Die junge Frau steht auf und geht auf „unser“ Haus zu und könnte sich als junger Mann mit Dutt herausgestellt haben. Das Tor zum Königreich der Zeugen ist offen und ein Mann in rotem Hemd geht davor auf und ab und übt seine Predigt oder redet gestikulierend mit sich selbst. Telephonieren mit Headset könnte es auch sein. Der Wind bewegt die drei Säulengleditschien (gleditsia triacanthos). Aus einem offenen Fenster gegenüber hängt ein Polster. Übrigens ist der Platz, auf dem ich sitze, der Fensterplatz meiner Frau. Da sitze ich so gut wie nie. Verwandle ich mich jetzt? Mein Gemächt kitzelt, aber ich glaube eher nicht, dass ich transdschendiere. Männer mit Hündchen. Autos. Viele wenig bunte Autos. Sonnenlicht an der Hausfassade gegenüber (gut, das kann man immer – mutatis mutandis – schreiben, wenn die Sonne scheint. Jetzt übrigens wieder Wolke). Ich bin wirklich ganz unsicher und verkrampft da heroben und habe meine linken Zehen am Fensterrahmen eingespreitzt. Ich schreibe seit längerem schon ohne Lesebrille, weil mir mit aufgesetzter Brille noch schwindliger ist und das Licht ist hier praktisch im Freien recht stark – dadurch sehe ich meine Schreiberei zwar doppelt und verschwommen, aber es geht so. Das Sonnenlicht ist wieder da. Vorsichtig drehe ich meinen Kopf nach links um in den tödlichen Abgrund zu schauen, beziehungsweise auf das Leben darin und drumherum und auf die Passanten. Ein Mann (?), eine Frau (?) mit großem, schweren Rucksack geht ganz aufrecht. Eine Frau mit pludernder Hose und Roßschwanz. Eine Fliege saust aus dem Zimmer an mir vorbei ins Freie und erschreckt mich über Gebühr. Noch ein Mann mit Hündlein. Viele gar nicht so bunte Autos – für die Verkehrsverhältnisse in dieser Gasse sind es viel. Das Sonnenlicht an der Fassade blendet mich. Meine Frau kommt nach Hause und ertappt mich an ihrem Platz, was ihr nichts ausmacht, denn sie ruft geradezu voller Erstaunen und Freude. „Mein Männele! Da also bist du! Ich gehe nur duschen, dann komme ich und setze mich dir gegenüber.“ Ich aber räume den Platz.

 

(24.8.2022)

©Peter Alois Rumpf  August 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

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