2859 Männele
Verdammt noch mal! Ich schlage mich zurzeit mit Sperbern und
Adlern herum: so genau wollte ich individualpsychologisch auch wieder nicht
aufgedeckt werden!
Ich sitze auf der Fensterbank im zweiten Stock bei offenem
Fenster; nicht ohne Höhenangst, aber halte mich tapfer, nur den Anblick von
oben auf den kleinen Platz mit den drei Bäumchen und den drei Bänken kann ich
nicht recht genießen. Gar nicht eigentlich. Auch die Geräusche des Baukrans
links hinter meinem Rücken beunruhigen mich und ich empfinde sie als
bedrohlich. Ich nehme die Lesebrille ab und zwinge mich hinunter zu schauen.
Eine junge Frau sitzt auf einer Bank und schaut in ihr Smartphone (bei mir sind
alle Frauen jung, die nicht alt sind). Die junge Frau steht auf und geht auf
„unser“ Haus zu und könnte sich als junger Mann mit Dutt herausgestellt haben.
Das Tor zum Königreich der Zeugen ist offen und ein Mann in rotem Hemd geht
davor auf und ab und übt seine Predigt oder redet gestikulierend mit sich
selbst. Telephonieren mit Headset könnte es auch sein. Der Wind bewegt die drei
Säulengleditschien (gleditsia triacanthos). Aus einem offenen Fenster gegenüber
hängt ein Polster. Übrigens ist der Platz, auf dem ich sitze, der Fensterplatz
meiner Frau. Da sitze ich so gut wie nie. Verwandle ich mich jetzt? Mein
Gemächt kitzelt, aber ich glaube eher nicht, dass ich transdschendiere. Männer
mit Hündchen. Autos. Viele wenig bunte Autos. Sonnenlicht an der Hausfassade gegenüber
(gut, das kann man immer – mutatis mutandis – schreiben, wenn die Sonne
scheint. Jetzt übrigens wieder Wolke). Ich bin wirklich ganz unsicher und
verkrampft da heroben und habe meine linken Zehen am Fensterrahmen
eingespreitzt. Ich schreibe seit längerem schon ohne Lesebrille, weil mir
mit aufgesetzter Brille noch schwindliger ist und das Licht ist hier praktisch im
Freien recht stark – dadurch sehe ich meine Schreiberei zwar doppelt und
verschwommen, aber es geht so. Das Sonnenlicht ist wieder da. Vorsichtig drehe
ich meinen Kopf nach links um in den tödlichen Abgrund zu schauen,
beziehungsweise auf das Leben darin und drumherum und auf die Passanten. Ein
Mann (?), eine Frau (?) mit großem, schweren Rucksack geht ganz aufrecht. Eine
Frau mit pludernder Hose und Roßschwanz. Eine Fliege saust aus dem Zimmer an
mir vorbei ins Freie und erschreckt mich über Gebühr. Noch ein Mann mit
Hündlein. Viele gar nicht so bunte Autos – für die Verkehrsverhältnisse in
dieser Gasse sind es viel. Das Sonnenlicht an
der Fassade blendet mich. Meine Frau kommt nach Hause und ertappt mich an ihrem
Platz, was ihr nichts ausmacht, denn sie ruft geradezu voller Erstaunen und
Freude. „Mein Männele! Da also bist du! Ich gehe nur duschen, dann komme ich
und setze mich dir gegenüber.“ Ich aber räume den Platz.
(24.8.2022)
©Peter Alois Rumpf
August 2022
peteraloisrumpf@gmail.com
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