Samstag, 20. August 2022

2854 Nur eine nackte Frau

 

2:12 a.m. Ich stelle fest: wenn ich alle drei Lampen im Zimmer aufgedreht habe, ist es auch tief in der Nacht heller und ich sehe meine Bilder und Kunstkarten viel besser. Zum Beispiel Kokoschkas Linz, oder sein Raubtier, das mich auch wegen seiner Fellfarbe immer an einen Säbelzahntiger, allerdings ohne Säbelzähne erinnert. Oder die schöne Nackte neben dem Raubtier – den Namen des Malers habe ich schon wieder vergessen – eine Schönheit, die noch aus den Fünfzigerjahren kommen könnte. Die zwei Visionäre schauen auch fröhlicher und lichter drein und sind voll gut drauf. Meine Augen wandern zurück zur Nackten, die immer noch im Halbdunklen bleibt, und sie schauen und schauen und können sich nicht satt sehen. Irgendwas aus ganz tief will hochsteigen, aber ich fürchte mich davor. Dass es mich überwältigt und ich die Kontrolle verliere. Ich kann es nicht wirklich zulassen – es bleibt ein Gefühl, das mich ganz am Rand streift. Wie harmlos mir jetzt die zwei Visionäre vorkommen, die doch unglaubliche Wunder, vielleicht auch Schrecken schauen. Ich schaue nur eine nackte Frau auf einer Karte von einer Photographie des Bildes „Schlummernde Frau“ von Johann Baptist Reiter an.

 

(20.8.2022)

©Peter Alois Rumpf  August 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

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