2840 Captain Hofmann
Nachmittag. Sehr früher Nachmittag. In Echtzeit Mittag. Ich
sitze wieder in „meinem“ Genuß-Wohnzimmer, betrachte Licht und Schatten auf der
frühneuzeitlichen Stiege. Auch wie drei einzelne Lichtstreifen durch die
Abstände zwischen den einzelnen Staffeln fallen. Recht kalt ist es. Die Fenster
habe ich teilweise geschlossen. Ich bin bereit. Bereit zu neuen Erkenntnissen
und Erfahrungen. Möge mir genug Disziplin erhalten bleiben. In der Küche das
Licht. Im Badezimmer die Dunkelheit. Im Tageskinderzimmer die natürliche
Helligkeit. Mein Ohrensausen peitscht wieder oder wird gepeitscht. Ich atme
tief und richte mich innerlich auf, um gefaßt zu begegnen, was da kommt. Ich
darf aufrecht sein; ich muß mich nicht verstecken. „Entkrampfe die linke Hand!“
sage ich zu mir, „Krämpfe sind jetzt kontraproduktiv.“ Das Ohrensausen surrt
sich in größere Intensität. Ein Schauder läuft mir über den Rücken. Der Bauch
ist möglicherweise zu voll. Stimmen von der Straße; ich höre einen jämmerlichen
Unterton heraus. Der Wind bewegt die Blätter der Hofbäume sanft. Irgendwo
knackst es. Es surrt immer dichter. Ein Auto von der Straße vibriert akustisch
und wellenphysikalisch bis an die Randzonen meines Gehirns. Ich stehe jetzt auf
und schreite ans Fenster. Draußen ist alles naß; ich könnte die Pflanzen
gießen. „Tu es!“ sage ich mir in skandinavischer Manier. Das Wasser in der
durchsichtigen Gießkanne zittert, als ich mich ihm nähere. Der trinitarische
Baum wirkt wie von einem kühnen Zeichner flott hingeworfen, wie eine nach links
verzogene Skulptur aus einem natürlichen, schiefen Dreidedrucker. Ich beginne,
in meine depressiven Abgründe abzurutschen, aber ich werde alles beschreiben.
Ich beschreibe alles. Die Tür in den Schlafalkoven ist sperrangelweit
aufgerissen. „Dawummm!“ macht es irgendwo ganz leise. Ein paar Autos regen sich
motorheulerisch auf. Schnee auf dem Kilimantscharo. Im Südwesten nichts Neues.
Ich gehe nicht bis zum Regenbogen, ich gehe bis zum Fenster. An den Schalt- und
Bewegungsgeräuschen eines Baukrans bemerke ich, dass heute ein Werktag ist. Ich
kann an der Wohnzimmerstiege einen winzigen, ganz wie neugeborenen Lichstreifen
ausmachen (ohne ihn abzudrehen). Es knackst und knistert in der ganzen Wohnung.
Wofür stehe ich? Wofür sitze ich? Wofür liege ich? Eine fette Ratlosigkeit
steigt in meinem Inneren hoch. Aber mein Gemächt möchte auch mitspielen; so
ganz allein. Jetzt kommt der Schlaf. Nur das Geklinge von – ich schätze aufeinander
stoßenden Holzblochs, oder zumindest Holzpfosten weckt mich wieder auf. Rückzug
ins Private. Die Augen wollen mir unbedingt zufallen. Ich stehe wieder auf und
trete ans Fenster (ohne die Glasscheibe gleich einzuschlagen). Mein Bedürfnis
ist: hinlegen und einschlafen. Fast ein wenig schade um den Aufwand. Nach
gefühlt langer Zeit auf dem Diwan im Wohnzimmer: Rückzug in die Kemenate.
Seelisch-geistig richte ich mich noch einmal auf. Ich gehe noch stolz in der
Wohnung herum, aber physisch beginne ich schon einzuknicken.
(8.8.2022)
©Peter
Alois Rumpf August 2022 peteraloisrumpf@gmail.com
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