2831 Dong
7:34 a.m. Zum vierten Male in dieser Nacht von Frau Katz
aufgeweckt, habe ich unten in der Küche, nachdem ich das Katzenfutter
zubereitet hatte, selbst herrliches, saftiges Obst gegessen: einen
Weingartenpfirsich und Wassermelone (lassen wir die hier völlig uninteressante
und unfruchtbare Gemüse-Obst-Diskussion) gegen den Durst. Belehrungen und
Kommentare bezüglich Katzenverwöhnung brauche ich nicht: ich habe nämlich
beschlossen, Frau Katz auf ihre letzten Tage zu verwöhnen; obwohl man diese bei
einer Katze mit ihrem Neun-Leben-Ticket nie so genau erkennt. Ich gebe als
leidenschaftlicher und verhinderter Lehrer – was noch erschwerend hinzukommt –
auch zu, dass Belehrungen fast nie gebraucht werden. Die Welt als zukunfts …
äääh … Abbruch.
9:17 a.m. „Dong!“ macht es sanft und lang anhaltend, wie ein
leise angeschlagener Meditationsgong, als ich unabsichtlich – übrigens wieder
von Frau Katz geweckt - mit einem Fingerknöchel gegen den metallenen
Lampenschirm der Leselampe stoße. Was geht ab, Mann!?! (Wer fragt wen?) Ich bin
ja noch so müde aus dieser unruhigen Nacht – fünfmal die Katz. Was hat die?
Unmittelbar todkrank wirkt sie zur Zeit nicht auf mich. Aber was heißt das schon!
Ein heißer Tag wurde und kündigt sich an; wird schwierig mit dem Rausgehen.
Meine Lippen fangen völlig unerwartet zu vibrieren an und meine Zähne verhalten
zu klappern. Aha! Wie aus dem Nichts. Jetzt ernsthaft: was geht da ab, Mann ?!?
Schon wieder vorbei, nur eine starke, stille, innige, hochkonzentrierte,
zusammengepresste, abgekapselte, aber nur leicht abstrahlende Unruhe bleibt um
mir und in mir und bei mir zurück. „Dominique“ fällt mir plötzlich ein, sicher,
weil es der Richard Schuberth in seinem Buch und bei seiner Lesung ins Spiel
gebracht hat. Das gehört zum Beginn meiner Popaffaire. Bin ich wirklich so tief
im Katholischen verwurzelt? Nur: katholisch geschädigt bin ich nicht. Die
wesentlichen Beschädigungen wurde früher angerichtet, ich bin ganz woanders
verwurzelt. Die katholische Kirche war ein Asyl und hat mein Sexualleben nicht
wirklich behindert. Danke kK! Meine Behinderung hatten schon andere viel früher
und viel brutaler erledigt. Dominique.
Ich kann eventuell allein in meiner Kammer ein gläubiger
Anarchist sein, aber nicht so leicht ein echter, denn bei aller Anti-Attitude:
die noch größere Angst als vor Autoritäten habe ich vor der Lynchjustiz des
losgelassenen Pöbels, vorm Volk, das endlich loslegen kann. Und zwar zunächst
davor gelyncht zu werden, aber dann auch davor, mich in der Masse des
schreienden Mobs zu ducken und vor lauter Angst beim Lynchen mitzumachen. Unter
geordneten Verhältnissen fühle ich mich wohler. Wiewohl es überhaupt nicht
darum geht. Dem Universum ist das völlig wurscht. Hauptsache, ich gebe beim Tod
mein Bewußtsein inklusive der darin erhaltenen Lebenserfahrung zur Auffüllung
des Universalbewußtseins ab.
Zurück zum bettlägrigen Vormittag des aufkommenden
Hitzetages: Aufstehen? Ich bin verwirrt. Ich könnte den Platero abholen gehen.
Die Vibration ist auch noch ganz leicht und kaum wahrnehmbar da. Lustlos! Ich
bin so lustlos! Ich bin der Lust! Und ich döse, döse, döse im Gähnungsschritt,
und bring die Dehnung mit, von meinem Halbschlafritt. Auf in die kalte Badewanne!
Raus aus der Komfortzone! Rein in den Lynchbereich! Diese Meinung setzt sich
jedoch nicht durch und ich – oder wer immer das ist – bleibt liegen. Jetzt
falle ich aber in einen inneren Döbereiner-Monodialog – jetzt aber schnell!
Schluß! Raus aus den Federn!
Ein Tageskind heult kurz wie ein Wolfswelpe auf und das
könnte meinem animalischen Vibrieren gefallen (nicht vergessen: animalisch
heißt scheu, jederzeit fluchtbereit, wachsam, schamanisch und im Welpenstadium
und außerhalb der Brunftzeit absolut asexuell). Bei aller Abscheu vor all der
Im-Frühtau- und In-der-Morgenfrühe-Ideologie und vor Typen wie der Ernst
Jünger: eines hat das Kalte-Badewannen-Ritual schon: es geht nur, wenn man sich
eindeutig entschieden hat. Wer zaudern anfängt steigt nicht rein.
(3.8.2022)
©Peter Alois Rumpf
August 2022
peteraloisrumpf@gmail.com
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