2824 Trauminple
Ich wache in der Stille und dem Duft des Regens auf,
verscheuche ein paar Trauminple (sorry, manchmal kann ich meine Schrift nicht
mehr lesen!), strecke mich, löse meine Arme aus Verdrehungen, begreife, dass es
später Nachmittag ist und höre die ersten Regentropfen. Vorsichtig, ganz
vorsichtig – denn ich habe heute wieder furchtbar Kreuz – richte ich mich
seitlich im Bett auf, bringe die Beine mühsam auf den Teppich – ich bin halt
ein unverbesserlicher Träumer – und stehe unter Schmerzen, mich schwerfällig
mit den Armen an den Oberschenkeln abstützend, auf. Ich gehe ins Atelier, und
weil dort durch das große und zum begrünten Hof und nicht in den stinkenden
Lichtschacht weitgeöffnete Fenster der herrliche Wind hereinströmt, mit dem
wunderbaren Rauschen des Regens, seinem Duft und seiner erlösenden Kühlung,
setze mich auf die Bank und lasse den beglückenden Regen mit seinem Wind an
mir herumtun. Ob ich es noch zur Veranstaltung schaffe, wie geplant? Jeder
Schritt schmerzt höllisch. Ich will wissen, wie spät es ist. Ich stehe von der
Bank auf und schleppe mich in mein Zimmer: 16:19. Und gehe schon etwas leichter
wieder ins Atelier zurück, weil dort schlicht die bessere Luft ist, das größere
Fenster und der bessere Luftzug. Ich gehe weiter ins Musikzimmer und blicke
dort aus dem Fenster auf den kleinen Platz und genieße es, die Straße nässer
und nässer werden zu sehen. Aber die festgetretene Erde unter den drei Bäumen ist
noch kaum nass. Ich schau den Menschen beim Durch-den-Regen-Gehen zu, aber
lange kann ich so nicht am Fenster bleiben; das Stehen verschärft wieder meine
Kreuzessituation.
Leider läßt der Regen schon nach. Es wird nur mehr
vereinzelt getröpfelt. Schade, sehr schade! Die Luft wird schon wieder
stickiger und schwüler. Ein Blitz zuckt vor meinen Augen, und ein ordentlicher
Donner kracht einher, aber ich muß zurück zur Bank; ich kann nicht am Fenster
stehen bleiben, erst wie ich auf der Atelierbank sitze, läßt der Schmerz etwas
nach. Aber jede abtrünnige Bewegung treibt den Schmerz so in die Höhe, dass ich
gar nicht mehr denken kann. Wer von den Mächten beschmerzt mich so? Der
Gekreuzigte? Das käme mir als zu billiger Schmäh vor – etwas einfallsreicher
sind die schon. Aber einer von den Formanweisern könnte es schon sein. Fragt
sich nur: mein Formanweiser? Also wirklich der, der auf die
Verwirklichung meiner Gestalt acht gibt? Und kein fremder, den ich mir
in Admont oder Irdning oder Vorau oder Graz oder Wien oder München oder weiß
der Teufel wo eingefangen habe und der mich jetzt fremdbestimmt? In eine fremde
Gestalt zwingen will? Also: sich fügen oder erst recht hingehen? Widerstand als
l'art pour l'art ist genauso dumm wie Unterwerfung. Oder anders gesagt: ist das
eine kreuzverfluchte Schranke, die mir von den Nornen in der Weg gestellt
wurde, auf dass ich sie überwinde, oder auf dass ich mich davon um- und auf den
richtigen, nämlich meinen Weg leiten lasse? Für beides gibt es in den Märchen
und Erzählungen sowohl gelungene als auch gescheiterte Prototypen.
(29./31.7.2022)
©Peter Alois Rumpf
Juli 2022
peteraloisrumpf@gmail.com
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