Dienstag, 19. Juli 2022

2799 Gesehene Substanz

 

7:50 a.m. Ein Morgen wie immer und dennoch ganz neu. Die Kämpfe im Traum sind schon vergessen, aber vibrieren noch nach. Im Moment wäre mein Reichtum an Bildern gar nicht nötig, im Moment! Selbst die zwei Visionäre haben ihre Ausstrahlungen eingestellt und versenken sich in trüber Dunkelheit, die kaum mit den Lichtverhältnissen zu tun hat. Eine Glocke läutet. Ich atme auf. Mein Blick, der durchs Zimmer wandert, zieht gesehene Substanz mit und sofort will mein Bewußtsein in einen anderen Zustand oder wenigstens einschlafen. Ich kämpfe gegen das Zufallen der Augen und befehle ihnen, herumzuschauen. Aber die wollen andere Welten herbeiwinken. Im Lichtschacht röhrt es mit belegter Stimme. Ein tiefer Seufzer. Mein oberer Rücken hebt an zu brennen; Flügel werden mir wohl nicht wachsen. Ich entkrampfe meine ständig verkrampfte linke Hand; gerade erst ist mir ihre verkrampfte Haltung aufgefallen. Noch ein tiefer Atemzug. Jetzt sind meine Augen zugefallen, aber ich schicke meinen Blick trotzdem im schwarzen Zimmer herum. Die Augen gehen wieder auf. Meine Hände scheinen sich vom Restkörper losgesagt zu haben, führen nun ein Eigenleben und machen ihre eigenen Wahrnehmungen und Erfahrungen. Ich meine, sie tun nichts, aber empfinden separat. Meine linke Hand hält das Notizbuch, aber fühlt und glaubt, einen Pfannenwender in der Hand zu halten. Jetzt beginnen meine Erinnerungen, mir etwas vorzugaukeln. Eine der Erinnerungen bedankt sich bei einer Frau – meine? eine andere? - gestern in sie eindringen gedurft zu haben. Und mir fällt auf, dass das Röhren der Lüftung im Lichtschacht nicht gar so anders wie das Röhren eines Flugzeugs aus der Ferne klingt.

 

(19.7.2022)

©Peter Alois Rumpf  Juli 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

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