2799 Gesehene Substanz
7:50 a.m. Ein Morgen wie immer und dennoch ganz neu. Die
Kämpfe im Traum sind schon vergessen, aber vibrieren noch nach. Im Moment wäre
mein Reichtum an Bildern gar nicht nötig, im Moment! Selbst die zwei Visionäre
haben ihre Ausstrahlungen eingestellt und versenken sich in trüber Dunkelheit,
die kaum mit den Lichtverhältnissen zu tun hat. Eine Glocke läutet. Ich atme
auf. Mein Blick, der durchs Zimmer wandert, zieht gesehene Substanz mit und
sofort will mein Bewußtsein in einen anderen Zustand oder wenigstens
einschlafen. Ich kämpfe gegen das Zufallen der Augen und befehle ihnen,
herumzuschauen. Aber die wollen andere Welten herbeiwinken. Im Lichtschacht röhrt
es mit belegter Stimme. Ein tiefer Seufzer. Mein oberer Rücken hebt an zu
brennen; Flügel werden mir wohl nicht wachsen. Ich entkrampfe meine ständig
verkrampfte linke Hand; gerade erst ist mir ihre verkrampfte Haltung
aufgefallen. Noch ein tiefer Atemzug. Jetzt sind meine Augen zugefallen, aber
ich schicke meinen Blick trotzdem im schwarzen Zimmer herum. Die Augen gehen
wieder auf. Meine Hände scheinen sich vom Restkörper losgesagt zu haben, führen
nun ein Eigenleben und machen ihre eigenen Wahrnehmungen und Erfahrungen. Ich
meine, sie tun nichts, aber empfinden separat. Meine linke Hand hält das
Notizbuch, aber fühlt und glaubt, einen Pfannenwender in der Hand zu halten.
Jetzt beginnen meine Erinnerungen, mir etwas vorzugaukeln. Eine der Erinnerungen
bedankt sich bei einer Frau – meine? eine andere? - gestern in sie eindringen
gedurft zu haben. Und mir fällt auf, dass das Röhren der Lüftung im
Lichtschacht nicht gar so anders wie das Röhren eines Flugzeugs aus der Ferne
klingt.
(19.7.2022)
©Peter Alois Rumpf Juli 2022
peteraloisrumpf@gmail.com
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