2789 Njet!
Ich gehe nie mehr zu diesem Psychiater. Der soll überprüfen, ob ich noch die teilweise Kostenrückvergütung für meine Psychotherapie von der Gesundheitskasse bekommen soll. Aber dort geh ich nicht mehr hin. Zunächst hatte ich
beim Eintritt in die Ordination einen Eindruck von unglaublicher, nur schlecht
als professionelle Distanz getarnter Arroganz. Ob das zutrifft oder eine
Projektion meinerseits ist, weiß ich nicht. Und dann: ich meine: er kennt mich
nicht, er weiß weder von meiner Lebensgeschichte noch davon, wie ich mich heute
damit herumschlage. Er hat einen Zettel mit ein paar Zeilen vor sich liegen.
Und dann muß ich reden: nicht er fragt mich, sondern ich muß meine Krankheit
begründen, weil er sie nicht sehen will. Und dann meint er, ich solle die
Vergangenheit loslassen und mich auf die Gegenwart konzentrieren. Und schon fühle
ich mich schuldig, dass ich das nicht geschafft habe (und vergesse alles, was
ich bereits geschafft habe – wie weggewischt). Ich argumentiere schlecht mit
meinem schlechten Gewissen, weil ich sofort alles vergessen habe, was ich weiß.
Zum Beispiel weiß ich, dass man die Vergangenheit nur loslassen kann, wenn
besonders sehr alte, früh erlittene Traumata – und die sind am schwersten
aufzufinden – wirklich ins Bewußtsein gehoben und wirklich ausgeschaltet sind,
sonst arbeiten die aus dem verdeckten Hintergrund ständig in die Gegenwart
hinein. Das anzuschauen sind wir in der Therapiearbeit gerade dabei. Aber das
fällt mir erst nach dem Termin auf der
Straße ein. Ich habe mich überhaupt nicht mehr wahrgenommen. Um es anders, aber
deutlich zu sagen: ich fühle mich arschgefickt. Jetzt werde ich wieder Tage,
wenn nicht Wochen brauchen, den Dreck loszuwerden. Und als er schließlich doch
meine teilweise Kostenrückvergütung gnädigerweise bis zum Jahresende verlängert
hat, habe ich mich überschwenglich bedankt. Dabei bin ich mir wie ein
Strichjunge vorgekommen. Ich werde lange brauchen, um mich wieder mögen zu
können. Ich bin zu alt für solche Unterwerfungen – ich will das nicht mehr
erleben. Ich komme mir dreckig vor und habe mich unter meinem Wert verkauft
(ja, verkauft). Ich bin dümmer aufgetreten, als ich bin. Ganz weinerlich habe
ich ihn fast angebettelt. Ich kann mich in dieser Situation nicht anschauen,
ohne in Gefahr zu geraten, mich zu hassen.
(Nachtrag: in der Therapiesitzung mit meiner Therapeutin
haben wir meine Fixierung auf dieses ungute Erlebnis gut bearbeitet und ich bin
wieder erleichtert weggegangen.)
(7.7.2022)
©Peter Alois Rumpf Juli 2022
peteraloisrumpf@gmail.com
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