Donnerstag, 7. Juli 2022

2789 Njet!

 

Ich gehe nie mehr zu diesem Psychiater. Der soll überprüfen, ob ich noch die teilweise Kostenrückvergütung für meine Psychotherapie von der Gesundheitskasse bekommen soll. Aber dort geh ich nicht mehr hin. Zunächst hatte ich beim Eintritt in die Ordination einen Eindruck von unglaublicher, nur schlecht als professionelle Distanz getarnter Arroganz. Ob das zutrifft oder eine Projektion meinerseits ist, weiß ich nicht. Und dann: ich meine: er kennt mich nicht, er weiß weder von meiner Lebensgeschichte noch davon, wie ich mich heute damit herumschlage. Er hat einen Zettel mit ein paar Zeilen vor sich liegen. Und dann muß ich reden: nicht er fragt mich, sondern ich muß meine Krankheit begründen, weil er sie nicht sehen will. Und dann meint er, ich solle die Vergangenheit loslassen und mich auf die Gegenwart konzentrieren. Und schon fühle ich mich schuldig, dass ich das nicht geschafft habe (und vergesse alles, was ich bereits geschafft habe – wie weggewischt). Ich argumentiere schlecht mit meinem schlechten Gewissen, weil ich sofort alles vergessen habe, was ich weiß. Zum Beispiel weiß ich, dass man die Vergangenheit nur loslassen kann, wenn besonders sehr alte, früh erlittene Traumata – und die sind am schwersten aufzufinden – wirklich ins Bewußtsein gehoben und wirklich ausgeschaltet sind, sonst arbeiten die aus dem verdeckten Hintergrund ständig in die Gegenwart hinein. Das anzuschauen sind wir in der Therapiearbeit gerade dabei. Aber das fällt mir erst nach dem Termin  auf der Straße ein. Ich habe mich überhaupt nicht mehr wahrgenommen. Um es anders, aber deutlich zu sagen: ich fühle mich arschgefickt. Jetzt werde ich wieder Tage, wenn nicht Wochen brauchen, den Dreck loszuwerden. Und als er schließlich doch meine teilweise Kostenrückvergütung gnädigerweise bis zum Jahresende verlängert hat, habe ich mich überschwenglich bedankt. Dabei bin ich mir wie ein Strichjunge vorgekommen. Ich werde lange brauchen, um mich wieder mögen zu können. Ich bin zu alt für solche Unterwerfungen – ich will das nicht mehr erleben. Ich komme mir dreckig vor und habe mich unter meinem Wert verkauft (ja, verkauft). Ich bin dümmer aufgetreten, als ich bin. Ganz weinerlich habe ich ihn fast angebettelt. Ich kann mich in dieser Situation nicht anschauen, ohne in Gefahr zu geraten, mich zu hassen.

 

(Nachtrag: in der Therapiesitzung mit meiner Therapeutin haben wir meine Fixierung auf dieses ungute Erlebnis gut bearbeitet und ich bin wieder erleichtert weggegangen.)

 

(7.7.2022)

©Peter Alois Rumpf  Juli 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

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