2786 Kurzbesuch in der Albertina
Meine erste Albertinarast beim heutigen Kurzbesuch halte ich
vor Werefkins Café mit Blick auf den Nachtschwärmer. Die beiden geliebten Damen
von Vuillard und Manguin habe ich im Stehen absolviert (ego te absolvo!).
Plötzliche Kopfschmerzen: zu wenig oder zu viel Kaffee? Jawlenskys Oberstdorf
ohne Sprungschanze mag ich auch. Boeckls schöne Frau hängt jetzt woanders und –
leider – Weilers Batlinerportrait fehlt überhaupt und wurde durch einen großen
Schriftzug ersetzt. Schade. In einem Bildermuseum sollten Bilder Vorrang vor
Wörtern und Theorien haben.
Danke Universum; ich kann wieder vor Kokoschkas Städten
sitzen, direkt vor London. Dieses London ist so schön, so schön! So schön kann
es in der Realität gar nicht sein (Kunst holt das Edelste hervor). Ein Blick
nach Dresden. Ich stehe auf und gehe hin. Dresden ist mehr als OK! Und London
erst! Der Himmel kommt herab und holt sich die Stadt hinauf. Sie ist kaum noch
von dieser Welt. Aus drei Meter Abstand sind das eindeutig die zwei leuchtenden
Städte; aus der Nähe fast nur mehr beformte Farbenergie. Ich gehe weiter, weil
ich diese Intensität nicht mehr aushalte. Jetzt fällt mir ein: ich komme ja
auch hierher, um Menschen zu beobachten; auch als besten Ersatz für einen
Cafébesuch. Nun, vorerst bleibe ich lieber bei den Bildern.
Ich raste beim depperten Kardinal, gleich beim
vierblättrigen Klee. Ich photographiere mich und meine schönen, nackten Beine
im großen Spiegel für mein Album auf Facebook, das „Zur Feier des Eigendünkels
II“ heißt. Ja, das Zwergmärchen vom Klee – liebe Grüße an Neuvalis! Du bist
echt ein würdiger Nachkomme.
„Mein“ Arbeiter ist wieder da! Der von Motesiczky. Ich
schaue ihn gern an. Der Beckmann trägt einen tollen Mantel. Der Busen vom Karl
Hofer lockt mich nicht hinter dem Ofen hervor, sondern bloß vor der Bank zum
Bild um den Begleittext zu lesen. Der Arbeiter von Motesiczky hat einen schönen
Rock, eine schöne Hose und ein schönes Gesicht. Beckmanns Frau mit Katze wirkt
ein wenig grob, aber ich glaube, sie ist es nicht. Ach, Chagalls Bauerndorf mit
dem Papierdrachen! Picasso: tilt. Giacomettis wunderbare Landschaft fehlt, aber
seine vier dürren Frauen werfen immer noch schöne Schatten. Picasso: tilt.
Braques Stillleben betrachte ich.
In diesem Saal, der beim Eintreten der erste und nach dem
Rundgang der letzte ist, setzte ich mich hin, obwohl ich ihn sonst ignoriere.
Ich reiße mich aus meiner Betrachtung, die schon sehr nach innen gekippt ist,
los und werde wohl zu den Sphinxen gehen.
Die Bank bei den Sphinxen ist besetzt. Nach Hause?
(6.7.2022)
©Peter Alois Rumpf
Juli 2022
peteraloisrumpf@gmail.com
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