Donnerstag, 7. Juli 2022

2790 Am Campus

 

Ich sitze im Campus Altes AKH in Hof neun unter einem schattigen Baum. Der Wind ist angenehm, aber ich komme von meiner Aufregung vom Psychiatertermin nicht runter. Es ist sehr leer hier, nur ein paar Proletentypen gehen durch. Ach ja, es sind schon Ferien, keine StudentInnen mehr, wo ich mich zwar auch fremd, aber nicht ausgeliefert vorkomme. Es fehlen Optimismus und Zuversicht und Eifer der jungen Erwachsenen, die dabei sind, ihr Leben anzugehen und aufzubauen, es fehlt die Liebe zum Wissen. Die da herumgehen haben sich schon eingerichtet und bleiben dabei. Ein Eichkatzerl; die bewegen sich einfach toll und geschmeidig. Eine knappe Stunde muß ich noch auf meine Therapiesitzung warten. Mein Hintern tut mir von der Holzbank schon weh. Ich werde herumgehen.

Die einsamen Springbrunnen haben etwas Vergebliches. Was sind sie schon, wenn ihnen niemand zusieht? Der Wind allerdings spielt mit ihnen und beformt ihre Fontänen. In diesem Hof Nummer acht sind Arbeiter am Werk, und das Brummen und Surren ihrer Geräte ist unangenehm. Ich gehe weiter.

Nun sitze ich im Haupthof eins. Dort befindet sich ein sehr großer Springbrunnen, was sein Becken und seine Basis betrifft, aber mit einem lächerlichen Output. Erste kleine, einzelne Roßkastanienfrüchte in grüner Stachelschale hat der Wind schon von den Bäumen geworfen. Ach Gott! Irgendwas ist auch hier unerträglich. Es donnert, aber ich vermute von der U-Bahn-Baustelle her. Ich werde weitergehen. Vielleicht zur Gedenkstätte für die von den (unseren) Nazis ermordeten Juden? Was ich dort will, weiß ich auch nicht so recht. Mich an der Schuld meiner Vorfahren laben?

Es ist schon unglaublich, wie hier im Campus das Fehlen der vielen StudentInnen – einige sind schon unterwegs – Stimmung, Atmosphäre, Spin und Geist des Ortes verändert hat! Es macht viel aus, welche Bewußtseine an einem Ort anwesend sind. Ich gehe weiter zur nächsten Station (beuget die Knie! Erhebet euch!).

Jetzt bin ich nach einer halben Gedächtnisstättenrunde wieder im Hof neun eingelangt und warte die letzten Minuten zur Therapie ab. Mir ist zum Heulen. Ich fühle mich im Stich gelassen. In der Therapiestunde werde ich wieder vernünftig sein. Leider.

 

(Nachtrag: die Therapiestunde ist sehr gut verlaufen und ich bin nachher erleichtert weggegangen.)

 

(7.7.2022)

©Peter Alois Rumpf  Juli 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

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