2706 Entladungen
Der Tag hat schön, heiter, richtig gut begonnen. Genauso ist
er weitergegangen, und am Abend habe ich ihn erschlagen. Wieso? Ich verstehe es
nicht. Ich verstehe mich dabei nicht. Seit Stunden fühle ich dem nach, frage
mich, welche Empfindungen, welcher Groll mich antreibt, ich komme zu ein paar
Vermutungen, ein paar Teilaspekten, aber zu keiner einleuchtenden Erkenntnis.
Traurig und teilnahmslos wandern meine Augen über meinen Bilderschatz an den
Wänden, aber nichts erfreut mich, nichts erheitert mich, nichts fordert mich
heraus. Meine Ohren surren und in meinem energetischen Inneren – es müßte so in
der Gegend des Kopfes sein, teils außerhalb, teils innerhalb des physischen
Schädels – peitschen vier Zuckungen oder Entladungen rein. Ich spüre sie, fast
höre ich sie an den Unterbrechungen im monotonen Surren. Vielleicht sollte ich
langsam mit den Scheiß-Medikamenten aufhören. In meiner Taglöhnerzeit ohne
Krankenversicherung hätte ich meinen Vorfall damals, der dann als Panikattacke
diagnostiziert wurde, sicher alleine und auf meine Art bewältigt; zum Arzt bin
ich nur gegangen, weil ich in meinem fragilen Zustand drei oder vier Tage
Krankenstand wollte. Ich habe viel Erfahrung mit Angst und Panik und kann damit
umgehen. Drei innere Peitschenschläge oder Entladungen, die sich so anfühlen,
im Energiekonglomerat, das ich bin. Gut, ich seufze – soll sein, dass das ein
gutes Zeichen ist. Ich bin, nachdem ich den Tag, der gar nicht mir gehörte,
sondern meiner Frau, zerstört habe, lange Zeit mit geschlossenen Augen auf dem
Bett gehockt und wollte sie nie, nie, nie mehr aufmachen, außer ich habe die
entscheidende Erleuchtung über mein Leben. Irgendwann wird mir das dann
kindisch und dann, dann ist es eine Niederlage und das Öffnen der Augen
eine verlorene Schlacht. Gut, ich bin zurückgefallen, umgefallen und bin
besiegt. Das ist nichts Neues unter meiner Sonne, aber das hat einen solchen
üblen, elendigen, grauslichen Nachgeschmack, dass mir vor mir ekelt. Das ist
frivol, wenn man so etwas denkt, während man den überfressenen Bauch gluckern
hört. Meine Gedanken sind noch viel anmaßender; so sehr, dass ich sie hier gar
nicht preisgeben will („Wäre hier bloß Krieg, dann müßte ich das Geschäft der
Selbstzerstörung wenigstens nicht selbst besorgen!“ - ich distanziere mich
entschieden und sofort von dieser Überheblichkeit und schreibe den Satz nur der
Wahrhaftigkeit wegen her. Und: kein Mitleid mit Selbstbemitleidern!). Ich werde
jetzt wieder versuchen, die Augen zu schließen und in diesem Zustand zu
verharren. Aber anders als vor ein paar Stunden ist mir jetzt heiß und ich
schwitze.
Nachtrag: das Vorhaben hat nicht geklappt. Ich konnte mich
nicht mehr beruhigen. So um 2 a.m. habe ich dann zu lesen begonnen, bis ich
völlig erschöpft war. Aber auch da konnte ich mich nicht beruhigen. Auch
einzuschlafen gelang nicht. Zwischen 3 und 4h bin ich wieder aufgestanden, habe
meinen Laptop angeworfen, meine zwei Spiele Mahjongg-Festung und Solitär gespielt
und über Kopfhörer „Unlimited Love“ von den Red Hot Chili Peppers angehört und
diese Musik war es, die mich aus der Verzweiflung hinausgeführt hat.
Einschlafen konnte ich trotzdem lange nicht, aber wenigstens ruhig liegen. Bis
zum Aufstehen um 11 a.m. habe ich schlecht geschlafen und bin ständig von allen
möglichen Träumen beunruhigt worden.
(22./23.5.2022)
©Peter Alois
Rumpf Mai 2022 peteraloisrumpf@gmail.com
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