Montag, 23. Mai 2022

2706 Entladungen

 

Der Tag hat schön, heiter, richtig gut begonnen. Genauso ist er weitergegangen, und am Abend habe ich ihn erschlagen. Wieso? Ich verstehe es nicht. Ich verstehe mich dabei nicht. Seit Stunden fühle ich dem nach, frage mich, welche Empfindungen, welcher Groll mich antreibt, ich komme zu ein paar Vermutungen, ein paar Teilaspekten, aber zu keiner einleuchtenden Erkenntnis. Traurig und teilnahmslos wandern meine Augen über meinen Bilderschatz an den Wänden, aber nichts erfreut mich, nichts erheitert mich, nichts fordert mich heraus. Meine Ohren surren und in meinem energetischen Inneren – es müßte so in der Gegend des Kopfes sein, teils außerhalb, teils innerhalb des physischen Schädels – peitschen vier Zuckungen oder Entladungen rein. Ich spüre sie, fast höre ich sie an den Unterbrechungen im monotonen Surren. Vielleicht sollte ich langsam mit den Scheiß-Medikamenten aufhören. In meiner Taglöhnerzeit ohne Krankenversicherung hätte ich meinen Vorfall damals, der dann als Panikattacke diagnostiziert wurde, sicher alleine und auf meine Art bewältigt; zum Arzt bin ich nur gegangen, weil ich in meinem fragilen Zustand drei oder vier Tage Krankenstand wollte. Ich habe viel Erfahrung mit Angst und Panik und kann damit umgehen. Drei innere Peitschenschläge oder Entladungen, die sich so anfühlen, im Energiekonglomerat, das ich bin. Gut, ich seufze – soll sein, dass das ein gutes Zeichen ist. Ich bin, nachdem ich den Tag, der gar nicht mir gehörte, sondern meiner Frau, zerstört habe, lange Zeit mit geschlossenen Augen auf dem Bett gehockt und wollte sie nie, nie, nie mehr aufmachen, außer ich habe die entscheidende Erleuchtung über mein Leben. Irgendwann wird mir das dann kindisch und dann, dann ist es eine Niederlage und das Öffnen der Augen eine verlorene Schlacht. Gut, ich bin zurückgefallen, umgefallen und bin besiegt. Das ist nichts Neues unter meiner Sonne, aber das hat einen solchen üblen, elendigen, grauslichen Nachgeschmack, dass mir vor mir ekelt. Das ist frivol, wenn man so etwas denkt, während man den überfressenen Bauch gluckern hört. Meine Gedanken sind noch viel anmaßender; so sehr, dass ich sie hier gar nicht preisgeben will („Wäre hier bloß Krieg, dann müßte ich das Geschäft der Selbstzerstörung wenigstens nicht selbst besorgen!“ - ich distanziere mich entschieden und sofort von dieser Überheblichkeit und schreibe den Satz nur der Wahrhaftigkeit wegen her. Und: kein Mitleid mit Selbstbemitleidern!). Ich werde jetzt wieder versuchen, die Augen zu schließen und in diesem Zustand zu verharren. Aber anders als vor ein paar Stunden ist mir jetzt heiß und ich schwitze.

Nachtrag: das Vorhaben hat nicht geklappt. Ich konnte mich nicht mehr beruhigen. So um 2 a.m. habe ich dann zu lesen begonnen, bis ich völlig erschöpft war. Aber auch da konnte ich mich nicht beruhigen. Auch einzuschlafen gelang nicht. Zwischen 3 und 4h bin ich wieder aufgestanden, habe meinen Laptop angeworfen, meine zwei Spiele Mahjongg-Festung und Solitär gespielt und über Kopfhörer „Unlimited Love“ von den Red Hot Chili Peppers angehört und diese Musik war es, die mich aus der Verzweiflung hinausgeführt hat. Einschlafen konnte ich trotzdem lange nicht, aber wenigstens ruhig liegen. Bis zum Aufstehen um 11 a.m. habe ich schlecht geschlafen und bin ständig von allen möglichen Träumen beunruhigt worden.

 

(22./23.5.2022)

 ©Peter Alois Rumpf  Mai 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite