2698 Meine Enns
9:31 a.m. Forcierte Windstille zwischen den Sturmböen.
Herinnen ist die Anspannung groß. Ich arbeite zur Beruhigung dagegen.
13:25. Sonne war schon und jetzt wieder Regen. Und aus
meinem großen Haus an der Enns ist auch nichts geworden: je schöner, bizarrer,
großartiger, hinreißender die Umgebung wurde, desto geringer wurden meine
Rechte am Besitz. Ein wenig und seitenverkehrt hat es an das nun leerstehende
Eisenbahnerwohnhaus in der Wolfsbachau erinnert, genauso ein schlichter,
einfacher, aber großer Bau, nur in ansprechendem dunklen Rot gestrichen (und
dorthin gab es in meiner Kindheit keine Straßenzufahrt!); die Enns nicht
gestaut, sondern fließend, der gegenüberliegende Hang näher, steiler und
felsiger. Und die geheimnisvollen Vögel: zuerst wußte ich einfach, dass sie zu
mir halten und meine Freunde sind, dann wußte ich es nicht mehr mit Sicherheit
und bekam leichte Furcht vor ihnen. Und wie toll die Enns war! Die Wasserqualität
war mir nicht bekannt, aber ich bin darin geschwommen. Die Landschaft änderte
sich allmählich und ich entdeckte immer mehr ausgebaute Höhlen in den Felsen am
anderen Ufer mit antik wirkenden Portalen, sogar ein Riesensaal mit
Riesenfenstern, durch die man hineinsehen konnte, anscheinend leer stehend, und
immer mehr und mehr Höhleneingänge. Das hat gar nicht mehr wie die Wolfsbachau
ausgeschaut, sondern viel dramatischer. Und dann gehörte das einsame, große,
schlichte, nüchterne Traumhaus auf der schönen grünen Uferwiese nicht mehr mir.
So kann es gehen! Desorientiert und tief traurig ob des Verlustes des einsamen
Hauses, das Gottseidank so gar nichts Idyllisches an sich hatte, hänge ich nun
im Bett und versuche, meine Gefühle Richtung Alltagswelt und Frühstück
auszuwerfen. Die Enns, die war hier so schön, wie sie da aus dem Offenen,
Hellen bei Weißenbach in meine wunderbare Abgeschiedenheit hereingeflossen kam
– in Umkehrung der realen Fließrichtung - noch golden leuchtend vom Licht dort
am Eingang zu dieser sanften, nicht allzu tiefen Schlucht, die nächste
Menschenansiedlung nicht allzu weit, doch hinter dem Flußknick nicht zu sehen –
was für ein angenehmes Arrangement! – mit stiller, abgeklärter Fröhlichkeit
kommt die Enns hereingeflossen – mir ist zum Weinen, dass sie nicht mehr mein
Leben begleitet und mir nicht mehr Wohnstatt und Dasein bereichert.
(17.5.2022)
©Peter Alois Rumpf Mai 2022
peteraloisrumpf@gmail.com
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