Dienstag, 17. Mai 2022

2698 Meine Enns

 

9:31 a.m. Forcierte Windstille zwischen den Sturmböen. Herinnen ist die Anspannung groß. Ich arbeite zur Beruhigung dagegen.

13:25. Sonne war schon und jetzt wieder Regen. Und aus meinem großen Haus an der Enns ist auch nichts geworden: je schöner, bizarrer, großartiger, hinreißender die Umgebung wurde, desto geringer wurden meine Rechte am Besitz. Ein wenig und seitenverkehrt hat es an das nun leerstehende Eisenbahnerwohnhaus in der Wolfsbachau erinnert, genauso ein schlichter, einfacher, aber großer Bau, nur in ansprechendem dunklen Rot gestrichen (und dorthin gab es in meiner Kindheit keine Straßenzufahrt!); die Enns nicht gestaut, sondern fließend, der gegenüberliegende Hang näher, steiler und felsiger. Und die geheimnisvollen Vögel: zuerst wußte ich einfach, dass sie zu mir halten und meine Freunde sind, dann wußte ich es nicht mehr mit Sicherheit und bekam leichte Furcht vor ihnen. Und wie toll die Enns war! Die Wasserqualität war mir nicht bekannt, aber ich bin darin geschwommen. Die Landschaft änderte sich allmählich und ich entdeckte immer mehr ausgebaute Höhlen in den Felsen am anderen Ufer mit antik wirkenden Portalen, sogar ein Riesensaal mit Riesenfenstern, durch die man hineinsehen konnte, anscheinend leer stehend, und immer mehr und mehr Höhleneingänge. Das hat gar nicht mehr wie die Wolfsbachau ausgeschaut, sondern viel dramatischer. Und dann gehörte das einsame, große, schlichte, nüchterne Traumhaus auf der schönen grünen Uferwiese nicht mehr mir. So kann es gehen! Desorientiert und tief traurig ob des Verlustes des einsamen Hauses, das Gottseidank so gar nichts Idyllisches an sich hatte, hänge ich nun im Bett und versuche, meine Gefühle Richtung Alltagswelt und Frühstück auszuwerfen. Die Enns, die war hier so schön, wie sie da aus dem Offenen, Hellen bei Weißenbach in meine wunderbare Abgeschiedenheit hereingeflossen kam – in Umkehrung der realen Fließrichtung - noch golden leuchtend vom Licht dort am Eingang zu dieser sanften, nicht allzu tiefen Schlucht, die nächste Menschenansiedlung nicht allzu weit, doch hinter dem Flußknick nicht zu sehen – was für ein angenehmes Arrangement! – mit stiller, abgeklärter Fröhlichkeit kommt die Enns hereingeflossen – mir ist zum Weinen, dass sie nicht mehr mein Leben begleitet und mir nicht mehr Wohnstatt und Dasein bereichert.

 

(17.5.2022)

©Peter Alois Rumpf  Mai 2022   peteraloisrumpf@gmail.com


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