2695 Am Westbahnhof
Am Westbahnhof ist herunten auf Erden alles so geräte- und
gestellhaft, aber dafür habe ich freien Blick auf den fast vollen Mond. Der
schwarze Himmel und diese Leuchtkugel da oben; wenn ich die Nase rümpfe, wird
er gequetscht. So alt mußte ich werden, um diese Fähigkeit zu entdecken!
Wahrscheinlich sind es diese Himmelskörperlampen – auf mich wirkt er, als wäre
er von innen beleuchtet. Wenn ich lange hinschaue: ein reichlich absurdes,
fremdartiges, schwebendes Ding.
Ich bin meine Frau abholen und weil ich schon so nervös war,
überpünktlich. Aber ich warte gerne. Der Mond kommt mir jetzt kleiner vor, aber
quetschen läßt er sich noch. Hinter mir fährt dieser ständig tüdelnde Zug
endlich ab. Den Geräuschen nach zu schließen sitzt hinter mir ein Liebespaar.
Eindeutig: der Mond eiert im Stehen. Seine Konturen sind mehrdeutig. Seine
Unschärfe ist orange mit Gelb. Sein Strahlenkranz wechselt von rund zu
kreuzförmig und wieder zu rund und dann in eine Pfeilform. Ich höre: jetzt
küssen sie sich. Das Surren der Lokomotiven im Stehen – Klimaanlage und so.
Richtige Männer töten keine Koyoten. Kurz ist der Mond rein und sauber, dann
oszilliert er wieder. Einfahrende Züge heulen; ausfahrende Züge röhren. Noch 15
Minuten. Der Mond ist wieder klar. Jetzt zuckt er wieder. Ich rieche, rieche Tábakrauch.
Die Zigarette danach. Noch 10 Minuten. Der Mond brennt sich durch eine
unsichtbare Papierwand, nur um das Brandloch schimmert sie sichtbar auf. Der
Zug soll kommen: mir fällt zum Mond nichts mehr ein.
(14.5.2022)
©Peter Alois Rumpf Mai 2022
peteraloisrumpf@gmail.com
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