2694 Meine Bettstatt knackst
10:30 a.m. Die Hafenstraße von Mali Lošinj platzt auf und
will ihre Geheimnisse preisgeben. In Rettenschoess zieht ein fast unsichtbarer
Nebel über die Gründ'. Die Telefongespräche draußen im Hof und aus den offenen
Fenstern des Nachbarhauses gehen bis hierher. Veli Lošinj ist wie immer am
Transzendieren. Meine Bücher entschließen sich, eine ganz selbständige Mauer zu
bilden. Eine übergroße Trauer, die ich bis in die Leibesmitte als Schmerz
spüre, überkommt mich plötzlich und unerwartet. Es ist wohl das vergebliche
Leben, das sich meldet. Mir wird fast schlecht vor Trauer. Es gibt auch keinen
Grund nervös zu sein, der Tag ist in seinen erwartbaren Anforderungen
bewältigbar: Einkaufen und Frau vom Bahnhof abholen. Von irgendwo weit weg tönt
eine Kirchglocke her – für mich immer noch eine freudige, tröstende Botschaft.
Ich rühre mich nicht, aber meine Bettstatt knackst. Im linken Ohr ist eine
befremdliche, gasförmige Substanz eingedrungen und kitzelt mich. Ich denke, ich
bräuchte nur mit dem Finger ins Ohr stierln oder die Muskeln des Gebisses ein
paar Mal anspannen und loslassen und das Phänomen wäre erledigt, aber ich bin
wie gelähmt. Jetzt fällt es mir erst auf: die linke Seite! Ist es mein Tod, der
mir etwas ins Ohr flüstern will? Zuckungen in den Beinen. Mein Bewußtsein dreht
sich innen so schnell um seine Achse, dass die innere Welt nur mehr aus bunten, waagrechten Strichen besteht. Die
Katze geht über die Stiege und draußen singt eine Amsel. Jetzt beginnt das
Ganze sich ins Alltägliche aufzulösen. Das Aufstehen rückt näher.
(14.5.2022)
©Peter Alois Rumpf Mai 2022
peteraloisrumpf@gmail.com
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