Samstag, 14. Mai 2022

2694 Meine Bettstatt knackst

 

10:30 a.m. Die Hafenstraße von Mali Lošinj platzt auf und will ihre Geheimnisse preisgeben. In Rettenschoess zieht ein fast unsichtbarer Nebel über die Gründ'. Die Telefongespräche draußen im Hof und aus den offenen Fenstern des Nachbarhauses gehen bis hierher. Veli Lošinj ist wie immer am Transzendieren. Meine Bücher entschließen sich, eine ganz selbständige Mauer zu bilden. Eine übergroße Trauer, die ich bis in die Leibesmitte als Schmerz spüre, überkommt mich plötzlich und unerwartet. Es ist wohl das vergebliche Leben, das sich meldet. Mir wird fast schlecht vor Trauer. Es gibt auch keinen Grund nervös zu sein, der Tag ist in seinen erwartbaren Anforderungen bewältigbar: Einkaufen und Frau vom Bahnhof abholen. Von irgendwo weit weg tönt eine Kirchglocke her – für mich immer noch eine freudige, tröstende Botschaft. Ich rühre mich nicht, aber meine Bettstatt knackst. Im linken Ohr ist eine befremdliche, gasförmige Substanz eingedrungen und kitzelt mich. Ich denke, ich bräuchte nur mit dem Finger ins Ohr stierln oder die Muskeln des Gebisses ein paar Mal anspannen und loslassen und das Phänomen wäre erledigt, aber ich bin wie gelähmt. Jetzt fällt es mir erst auf: die linke Seite! Ist es mein Tod, der mir etwas ins Ohr flüstern will? Zuckungen in den Beinen. Mein Bewußtsein dreht sich innen so schnell um seine Achse, dass die innere Welt nur mehr aus  bunten, waagrechten Strichen besteht. Die Katze geht über die Stiege und draußen singt eine Amsel. Jetzt beginnt das Ganze sich ins Alltägliche aufzulösen. Das Aufstehen rückt näher.

 

(14.5.2022)

©Peter Alois Rumpf  Mai 2022   peteraloisrumpf@gmail.com

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