Samstag, 11. September 2021

2421 Die sieben leeren Wäscheleinen

 

Der Schlauch vom Staubsauger umschlingt die gestapelten Stühle wie die Schlangen die Laokoon-Gruppe und droht den einen herunterzureißen. Ein Baustellen-Singsang dröhnt wie die Posaunen von Jericho oder die des Jüngsten Gerichts, aber elegischer, melodiöser als erwartet. Die sieben leeren Wäscheleinen, hoch über der Tür ausgespannt, als hätten sie eine geheimnisvolle Botschaft, als wären sie ein magisches Omen, wie in einem alten Bergmannfilm. Das trinitarische Einkaufswagerl – drei kleine Räder sind über eine Achse so angeordnet, dass sie gemeinsam den Stiegensteigereffekt bewirken – steht zu nah bei mir, der ich im großen Badezimmer am Klo hocke, ob als Schutzgeist oder als Wärter – wer weiß.

Zurück in der Schlafnische decke ich mich warm zu und blicke auf die weiße Wand und den ebenfalls trinitarischen Baum. Obwohl die Zahl drei für Dynamik steht, ist es jetzt ruhig und still. Drei Blätter vom Baum bilden einen grünen Vogel, drei Blätter, die sich in dieser Gestalt von ihrem Baum absetzen und wegzufliegen anheben. Der Baustellensingsang klingt hier und jetzt wie ein avantgardistisches Streichkonzert unter Dominanz von Cello und Kontrabass (also T und B). Obwohl es schon gegen Mittag geht, werde ich noch ein wenig zu schlafen versuchen; Das Freigabevisum zum Übertritt in die Alltagswelt ist noch nicht ausgehändigt worden. Ich lege mich flach und das kleine Badezimmer über mir und der Stauraum unter mir erfüllen mich mit Ehrfurcht und Staunen (Scherz!).

 

(10.9.2021)

 

 ©Peter Alois Rumpf   September 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

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