2381 Mit fernwehendem Blick
Niedergelassen habe ich mich am Heiligen Frauenberg neben
dem Marstempel unter einem Apfelbaum. Ein Mann ruft seine „Hallo Mutter!“ an.
Er und sein Weib gehen kichernd weg und ich wechsle auf den verlassenen
Sitzplatz. Ich betrachte den Sonnenstrahlentisch und den Schatten meiner
schreibenden Hand. Der Eingang zur Mars-Tempel-Ruinen-Rekonstruktion ist mit
zwei rostenden Eisenplatten begrenzt und markiert – die rechte, auf die ich
blicken kann, ist in ihrem ausdifferenzierten Rostbraun so schön! So schön!
Die Kirchturmuhr schlägt halb. Freundlich flattert der
steirische Panther. Mauersegler/Schwalben fliegen umher; unablässig krähen die
Hähne: es muß hier viele Verleugner geben – vielleicht Verleugner des slawischen Erbes.
Die Ebene läßt meinen berührten, weichen, fernwehenden Blick
in die Weite ausschweifen. Unbestritten: ich bin auf einem Heiligen Berg. Die
Kustodin lenkt den Blick des alten Besuchers Richtung Graz, nicht Richtung
Maribor und der Štajerska. Das Wasser des Trinkbrunnen plätschert, wird aber
nicht getrunken. Feigenbaum und Zitronenstaude werden dem alten Mann
vorgestellt. Und wieder krähte ein Hahn. Der tote Baum im Friedhof hinter der
Mauer erinnert mich an ein Bild; zunächst komme ich nicht drauf, an welches, dann
fällt es mir ein: es ist das Bild auf dem Winterwimmelbuch für Kinder. Die
Turmuhr schlägt dreiviertel. Ich gehe wassertrinken. Nach dem Hinsetzen drehe
ich mich in Richtung Slowenien. Ich blicke auf Wagna und Gralla. Bin ich froh,
dass ich keine technische Ausbildung gewählt habe – diese Ausbildung kann
völlig verderben – und hätte mich möglicherweise verdorben wie den Franz Fuchs.
Auch unter dem Apfelbaum steigt die Hitze. Das Gerede und
Gegacker der ankommenden Touristen – heute sind es mehr – nervt mich und ich
schalte auf arrogant. Natürlich zu unrecht und abermals kräht ein Hahn.
(14.8.2021)
©Peter Alois Rumpf August 2021
peteraloisrumpf@gmail.com
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