Montag, 16. August 2021

2381 Mit fernwehendem Blick

 

Niedergelassen habe ich mich am Heiligen Frauenberg neben dem Marstempel unter einem Apfelbaum. Ein Mann ruft seine „Hallo Mutter!“ an. Er und sein Weib gehen kichernd weg und ich wechsle auf den verlassenen Sitzplatz. Ich betrachte den Sonnenstrahlentisch und den Schatten meiner schreibenden Hand. Der Eingang zur Mars-Tempel-Ruinen-Rekonstruktion ist mit zwei rostenden Eisenplatten begrenzt und markiert – die rechte, auf die ich blicken kann, ist in ihrem ausdifferenzierten Rostbraun so schön! So schön!

Die Kirchturmuhr schlägt halb. Freundlich flattert der steirische Panther. Mauersegler/Schwalben fliegen umher; unablässig krähen die Hähne: es muß hier viele Verleugner geben – vielleicht  Verleugner des slawischen Erbes.

Die Ebene läßt meinen berührten, weichen, fernwehenden Blick in die Weite ausschweifen. Unbestritten: ich bin auf einem Heiligen Berg. Die Kustodin lenkt den Blick des alten Besuchers Richtung Graz, nicht Richtung Maribor und der Štajerska. Das Wasser des Trinkbrunnen plätschert, wird aber nicht getrunken. Feigenbaum und Zitronenstaude werden dem alten Mann vorgestellt. Und wieder krähte ein Hahn. Der tote Baum im Friedhof hinter der Mauer erinnert mich an ein Bild; zunächst komme ich nicht drauf, an welches, dann fällt es mir ein: es ist das Bild auf dem Winterwimmelbuch für Kinder. Die Turmuhr schlägt dreiviertel. Ich gehe wassertrinken. Nach dem Hinsetzen drehe ich mich in Richtung Slowenien. Ich blicke auf Wagna und Gralla. Bin ich froh, dass ich keine technische Ausbildung gewählt habe – diese Ausbildung kann völlig verderben – und hätte mich möglicherweise verdorben wie den Franz Fuchs.

Auch unter dem Apfelbaum steigt die Hitze. Das Gerede und Gegacker der ankommenden Touristen – heute sind es mehr – nervt mich und ich schalte auf arrogant. Natürlich zu unrecht und abermals kräht ein Hahn.

 

(14.8.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   August 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

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