2378 Mariae-Himmelfahrt-Preparación
Am Frauenberg von Lipnica sitze ich unter einem Apfelbaum
und blicke weit ins Leibnitzer Feld hinaus, weit bis in die Štajerska
Slovenija. Um mich, unter mir, über und um mich herum tausende Jahre
Kultgeschichte. Von keltischen Göttinnen über Isis Lactans bis zur
himmelfahrenden Maria (die stillenden Mütter sind verschwunden? Alle auf Trip?
Aber nein! Nicht doch! So ein Blödsinn!). Links von mir blüht ein großer
Rosenstrauch, vor mir nachbetonierte Säulenstümpfe, den vermuteten Standort des
Säulenvorbaus des Tempels des Mars Latobius kennzeichnend (finnisch als Torten
identifiziert; familieninterner Scherz). (Apropos Muttergöttinnen und Mars: „Mond-Mars:
die erregten Schleimhäute“ (W. Döbereiner).)
Dieser Platz da auf dem Plateau des Kultberges ist ein
Wahnsinn, einfach ein Wahnsinn! Sicher ein Kraftort! Der steirische Panther auf
der Museumsfahne windet sich und lacht mich aus ob meiner durch nichts
begründeten Behauptung … - was weiß ich schon von Kraftplätzen? - und lacht und
prustet und spuckt im Lachanfall Feuer. Rings um mich die typischen
landesüblichen Geräusche tüchtiger Rasenmäher, Autofahrer, Mopedlenker – aber
im Moment alle unten in der Ebene. Hier heroben nur das Klopfen eines Spechts
und leiseres Schlagen von Metall auf Metall und ein paar menschliche
unverständliche steirische Zurufe. Ein Hahn schreit, ich niese laut, die
Turmuhr schlägt zehn. Ein Flugzeug, zweistrahlig, quert den unsichtbaren
Himmelfahrtschannel – ein verdichteter Moment, für den ich zu dumm bin, um ihn
zu verstehen oder zu nutzen. Eine Königskerze ragt dort drüben blühend hinter
dem römischen Kräutergarten hervor, eine heisere Taube? gurrt kurz auf,
irgendein flügelschlagendes Drama spielt sich in den Bäumen hinter mir ab; doch
keine Taube? Ein aufgescheuchtes Käuzchen? Ich gehe hin und schaue den Abhang
hinunter, sehe aber nur eine Frau unter der Steinmauer, die dieses wundertätige
Areal einfriedet, jene mit Pferden bei der Apfelernte.
Trotz allem rundherum ist Stille hier; zustimmend summt eine
Biene vorbei und flattert der Panther im Wind. Der Himmel ist von feierlichen
Dunstschleiern und gewölbten, gebauschten Feiertagswolken wie auf einem
Barockgemälde durchzogen. Denn für mich ist schon Feiertag: Ich feiere
Mariae-Himmelfahrt-Preparación. In der Nähe wird irgendetwas ausgeladen; ein
weiteres Motorflugzeug (einmotorig) röhrt über den Himmel und moduliert sein
Geräusch in unglaublichen Varianten. Bin ich wirklich in einem heiligen Bezirk
und kann Heilung erwarten? Motorräder und Autos jammern unten in der Ebene
herum.
Redet das Käuzchen im Schlaf? Träumt es und will mir eine
Botschaft der hiesigen Göttin überbringen? Ich stehe auf und gehe zum
Steinmäuerchen und suche im Gebüsch und im kleinen Wäldchen nach dem Vogel,
aber entdecke ihn nicht. Ich bekomme leichte Kopfschmerzen und bemerke erst
jetzt, daß ich bei einem Hollerbusch stehe; ich ziehe den Hut und die
Verkrampfung ist weg! Doch ein Kraftort! (oder sollte mich bloß der Hut
gedrückt haben? Hm?) Hier darf mann sich mit der Frauen- und Göttinnenverehrung
nicht blöd spielen! Vorm Baum der Frau Holle ist der Hut zu ziehen und aus! Ein
weißer Schmetterling umkreist mich in weitem Bogen; erste Touristen treffen ein,
das Tempelmuseum öffnet bald. Jetzt erst merke ich es: im Friedhof steht ein
toter Baum. Seine kahlen Äste zeichnen ein schöne, graphische Struktur über die
große Ebene von Flavia Solva und in den dunstigen Himmel. Die Kirchturmuhr
schlägt halb.
(13.8.2021)
©Peter Alois Rumpf August 2021
peteraloisrumpf@gmail.com
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