Montag, 16. August 2021

2378 Mariae-Himmelfahrt-Preparación

 

Am Frauenberg von Lipnica sitze ich unter einem Apfelbaum und blicke weit ins Leibnitzer Feld hinaus, weit bis in die Štajerska Slovenija. Um mich, unter mir, über und um mich herum tausende Jahre Kultgeschichte. Von keltischen Göttinnen über Isis Lactans bis zur himmelfahrenden Maria (die stillenden Mütter sind verschwunden? Alle auf Trip? Aber nein! Nicht doch! So ein Blödsinn!). Links von mir blüht ein großer Rosenstrauch, vor mir nachbetonierte Säulenstümpfe, den vermuteten Standort des Säulenvorbaus des Tempels des Mars Latobius kennzeichnend (finnisch als Torten identifiziert; familieninterner Scherz). (Apropos Muttergöttinnen und Mars: „Mond-Mars: die erregten Schleimhäute“ (W. Döbereiner).)

Dieser Platz da auf dem Plateau des Kultberges ist ein Wahnsinn, einfach ein Wahnsinn! Sicher ein Kraftort! Der steirische Panther auf der Museumsfahne windet sich und lacht mich aus ob meiner durch nichts begründeten Behauptung … - was weiß ich schon von Kraftplätzen? - und lacht und prustet und spuckt im Lachanfall Feuer. Rings um mich die typischen landesüblichen Geräusche tüchtiger Rasenmäher, Autofahrer, Mopedlenker – aber im Moment alle unten in der Ebene. Hier heroben nur das Klopfen eines Spechts und leiseres Schlagen von Metall auf Metall und ein paar menschliche unverständliche steirische Zurufe. Ein Hahn schreit, ich niese laut, die Turmuhr schlägt zehn. Ein Flugzeug, zweistrahlig, quert den unsichtbaren Himmelfahrtschannel – ein verdichteter Moment, für den ich zu dumm bin, um ihn zu verstehen oder zu nutzen. Eine Königskerze ragt dort drüben blühend hinter dem römischen Kräutergarten hervor, eine heisere Taube? gurrt kurz auf, irgendein flügelschlagendes Drama spielt sich in den Bäumen hinter mir ab; doch keine Taube? Ein aufgescheuchtes Käuzchen? Ich gehe hin und schaue den Abhang hinunter, sehe aber nur eine Frau unter der Steinmauer, die dieses wundertätige Areal einfriedet, jene mit Pferden bei der Apfelernte.

Trotz allem rundherum ist Stille hier; zustimmend summt eine Biene vorbei und flattert der Panther im Wind. Der Himmel ist von feierlichen Dunstschleiern und gewölbten, gebauschten Feiertagswolken wie auf einem Barockgemälde durchzogen. Denn für mich ist schon Feiertag: Ich feiere Mariae-Himmelfahrt-Preparación. In der Nähe wird irgendetwas ausgeladen; ein weiteres Motorflugzeug (einmotorig) röhrt über den Himmel und moduliert sein Geräusch in unglaublichen Varianten. Bin ich wirklich in einem heiligen Bezirk und kann Heilung erwarten? Motorräder und Autos jammern unten in der Ebene herum.

Redet das Käuzchen im Schlaf? Träumt es und will mir eine Botschaft der hiesigen Göttin überbringen? Ich stehe auf und gehe zum Steinmäuerchen und suche im Gebüsch und im kleinen Wäldchen nach dem Vogel, aber entdecke ihn nicht. Ich bekomme leichte Kopfschmerzen und bemerke erst jetzt, daß ich bei einem Hollerbusch stehe; ich ziehe den Hut und die Verkrampfung ist weg! Doch ein Kraftort! (oder sollte mich bloß der Hut gedrückt haben? Hm?) Hier darf mann sich mit der Frauen- und Göttinnenverehrung nicht blöd spielen! Vorm Baum der Frau Holle ist der Hut zu ziehen und aus! Ein weißer Schmetterling umkreist mich in weitem Bogen; erste Touristen treffen ein, das Tempelmuseum öffnet bald. Jetzt erst merke ich es: im Friedhof steht ein toter Baum. Seine kahlen Äste zeichnen ein schöne, graphische Struktur über die große Ebene von Flavia Solva und in den dunstigen Himmel. Die Kirchturmuhr schlägt halb.

 

(13.8.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   August 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

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