2170 Höchste Zeit
Rausgeworfen aus dem wirren Schlaf, hin und her gebeutelt,
herzklopfend, Angst und Übelkeit, Albtraumtrümmer und Panikknoten im Bauch,
hingeschleudert an den unsicheren Strand der Realität – als Kind mußte und
konnte ich manchmal von einem Traum in einen anderen aufwachen. Als Kind war
ich in Träumen oft luzid, ich wußte, dass ich in einem Traum bin. Aber
ausschließlich in Albträumen. Meine Aufwachtechnik war, die Augen fest zu
schließen und wieder aufzureißen und oft erwachte ich so im Bett, aber nicht
immer: manchmal erwachte ich in einem anderen Traum. Zuerst merkte ich es
nicht, glaubte mich in der Realität aufgewacht und sicher, aber dann schlich
sich der Horror wieder heran und ich konnte nicht mehr bewußt aus dem Traum
heraus. Und in einigen Träumen konnte ich als Kind mit meinem Blick so
Dämonengesichter, wie man sie als Dekorreliefs auf Häusern aus dem
19.Jahrhundert findet - genauso industriell und starr – an die Hauswände
klatschen. Meine Fähigkeit war mir durchaus etwas unheimlich.
Hinter der am Bücherregal verknoteten Schnur, mit der ich
die alte, nicht mehr benutzte Jalousie oben halte, in diesem toten Winkel
beginnt sich ein Gesicht zusammenzubrauen. Ich ahne es schon. Gleich daneben
steht ein leeres Glas, das in zwei Lichtpunkten – jetzt kommt ein dritter,
schwacher dazu und verschwindet wieder – das Licht der Leselampe zurückwirft
und dabei wie eine alte Signallampe wirkt, mit der geheime Botschaften über
meinen Kopf hinweg in den geheimnisvollen Background gesendet werden. Mein
Zimmer pulsiert leicht und ändert Form und Inhalt (und Struktur) wie Gestalten
in einem Lachkabinett. Unsichtbare Wellen laufen sichtbar durch mein
Gesichtsfeld und lösen in unmittelbarer Nähe zu meinem Schädel (3 bis 5
Zentimeter) ein Jucken aus, das sich dann allmählich auch auf meiner Kopfhaut
materialisiert – sozusagen.
Ich entdecke im Bücherregal noch eine zweite, halbreale
„Signallampe“ - eigentlich nur ein schwebender Blechdeckel wie ihn etwa
Gurkengläser haben, über den drei Signallichtpunkten.
Dieser Ausschlag auf meiner linken Hand scheint gewachsen zu
sein und die Altersflecken scheinen sich vermehrt zu haben (wie machen die
das?). An der rechten Hand haben sich die Altersflecken entlang des blauen
Bandes einer Ader niedergelassen, wie archaische Siedler entlang eines Flusses.
Ich bin verschwitzt und dreckig. Höchste Zeit für ein Bad.
(24.3.2021)
©Peter Alois Rumpf März 2021
peteraloisrumpf@gmail.com
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