Mittwoch, 24. März 2021

2169 Lebensfilm

 

Erstaunlich, wie viel Licht dieser relativ unbedeutenden Lichtquelle Nachttischlampe zurückgeworfen wird und in meinen Augen glänzt. Das Surren in meinen Ohren verstummt in einer kurzen Generalpause, macht einen Ruck, den ich bis hinter und in meinem Nacken spüre, und setzt dann ich einer leicht verschobenen Tonhöhe fort. Ich hocke nicht ganz bequem in meinem Bett; es ist mir nicht gelungen, die Pölster in meinem Rücken optimal anzuordnen, und alles nachjustieren hilft nichts. So wie in meinem Leben: tausende und abertausende Male hatte ich angesetzt, mich und mein Leben wirklich, grundlegend und nachhaltig zu verändern und in Ordnung zu bringen: sei es, dass ich täglich zur Heiligen Messe gegangen bin, sei es, dass ich ab nun meinen Tod links hinter mir zu spüren versuchte, oder mir bewußt eine aufrechte, stolze Haltung anzugewöhnen, oder mir in jedem möglichen Augenblick einen wichtigen, wegweisenden Satz immer wieder vorzusagen, oder zwei- bis dreimal die Woche in ein Fitnesscenter zu gehen, oder mir das luzide Träumen anzutrainieren, oder die Rekapitulation meines Lebens durchzuführen, oder was auch immer – nach einer gewissen Zeit – auch bei anhebendem Erfolg – vergaß ich es einfach wieder. So bin ich der gleiche geblieben und müde geworden. Unfertig, aber überlebenserschöpft. Ich mache mir keine Vorwürfe; ich weiß auch nicht, wie ich es hätte anders machen können. Ich hoffe nur, dass ich im Sterben meinen ganzen Lebensfilm mit der ganzen Vorgeschichte und allem Pi-Pa-Po sehen und verstehen kann. Ich hoffe, dass mir die Zeit bleibt. Ja, ich wünsche mir dieses nicht-richtende Gericht, dieses nicht-urteilende Urteil.

 

(23./24.3.2021)

 

©Peter Alois Rumpf   März 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

 

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