2169 Lebensfilm
Erstaunlich, wie viel Licht dieser relativ unbedeutenden
Lichtquelle Nachttischlampe zurückgeworfen wird und in meinen Augen glänzt. Das
Surren in meinen Ohren verstummt in einer kurzen Generalpause, macht einen
Ruck, den ich bis hinter und in meinem Nacken spüre, und setzt dann ich einer
leicht verschobenen Tonhöhe fort. Ich hocke nicht ganz bequem in meinem Bett;
es ist mir nicht gelungen, die Pölster in meinem Rücken optimal anzuordnen, und
alles nachjustieren hilft nichts. So wie in meinem Leben: tausende und
abertausende Male hatte ich angesetzt, mich und mein Leben wirklich,
grundlegend und nachhaltig zu verändern und in Ordnung zu bringen: sei es, dass
ich täglich zur Heiligen Messe gegangen bin, sei es, dass ich ab nun meinen Tod
links hinter mir zu spüren versuchte, oder mir bewußt eine aufrechte, stolze
Haltung anzugewöhnen, oder mir in jedem möglichen Augenblick einen wichtigen,
wegweisenden Satz immer wieder vorzusagen, oder zwei- bis dreimal die Woche in
ein Fitnesscenter zu gehen, oder mir das luzide Träumen anzutrainieren, oder
die Rekapitulation meines Lebens durchzuführen, oder was auch immer – nach
einer gewissen Zeit – auch bei anhebendem Erfolg – vergaß ich es einfach
wieder. So bin ich der gleiche geblieben und müde geworden. Unfertig, aber
überlebenserschöpft. Ich mache mir keine Vorwürfe; ich weiß auch nicht, wie ich
es hätte anders machen können. Ich hoffe nur, dass ich im Sterben meinen ganzen
Lebensfilm mit der ganzen Vorgeschichte und allem Pi-Pa-Po sehen und verstehen
kann. Ich hoffe, dass mir die Zeit bleibt. Ja, ich wünsche mir dieses
nicht-richtende Gericht, dieses nicht-urteilende Urteil.
(23./24.3.2021)
©Peter Alois Rumpf März 2021
peteraloisrumpf@gmail.com
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