Dienstag, 16. März 2021

2160 Ausflug

 

Früher, als ich allein lebte, bin ich ständig wie ein Irrer durch die Gegend gerannt. Hat mich etwas irritiert: nichts wie los! Mußte ich etwas verarbeiten oder nachfühlen oder überdenken: ich geh lieber! So habe ich zwei-, dreimal die Woche die Lobau durchquert oder bin ganz tief hinein, oder durch den Lainzertiergarten, oder außen an der Mauer des Lainzer Tiergartens entlang bis Mauer und zur Wotrubakirche oder weiter nach Niederösterreich, oder durch den Wienerwald bis nach Heiligenkreuz, oder über Dehnepark und Steinhofgründe rauf zur Jägerwiese und runter bis Klosterneuburg, oder zumindest in der Innenstadt oder in den Außenbezirken herumgelaufen. Seit meinem Zusammenbruch vor drei Jahren ist damit Schluß und ich kann mich kaum dazu bringen, mein Zimmer und die Wohnung zu verlassen.

Meine Frau liebt es jedoch, mit mir Ausflüge zu machen. Und ich, ich finde es auch nicht so schlecht. Vorher denke ich mir oft: muß das sein? Aber nachher stelle ich fest: es war erfrischend, anregend und beziehungsfördernd.

Letztens sind wie am Fuße des Bisamberges Richtung Norden gewandert. Auf meinen Vorschlag hin. Bei einem meiner seltenen Soloausflüge hatte ich die falsche Abzweigung genommen und bin auf einen mir unbekannten Weg gestoßen, der mir vielversprechend vorgekommen ist. Zu Recht. Man kommt zu wunderschönen Ausblicken in die Ebene nord-östlich von Wien, wo man bis zu den Kleinen Karpaten sieht. Und diese Wanderung hatte ich letztens erfolgreich meinem Weibe gezeigt.

Für heute hat meine liebe Frau vorgeschlagen, das Schloß Neugebäude zu besuchen. Vor knapp vierzig Jahren war ich einmal mit meiner damalige Gefährtin dort und ich habe nur dunkle und unscharfe Erinnerungen an das damals völlig versperrte Schloß. Deswegen bin ich neugierig geworden und einverstanden mit diesem Ausflugsziel. Ich hatte gestern Abend versprochen, alles Orientierungsmäßige nachzuschauen, es aber dann in meiner nächtlichen Krimisucht vergessen (im Grunde bin ich ein schlamperter Hund). Wir haben – meine Frau wußte den Weg – doch hingefunden. Ich ahnte nicht, dass im Schloß eine Corona-Teststation eingerichtet ist; meine Frau sagt, sie hätte es mir mitgeteilt. Gut, lassen wir uns testen!

Da meine Frau keinen Ausweis bei sich hatte, konnte nur ich getestet werden. Ich muß innerlich schon lachen: Ausflugsziel: Nasenstochern, geschickt eingefädelt von meiner Frau.

Die Teststation war in einer großen Halle eingerichtet, die ich als ehemalige Pferdeställe vermutet habe: eine lange Halle mit Ziegelgewölbe, wo sich die Aufnahmetische und der Wartebereich und ganz am Ende die eigentlichen Teststationen befanden. Dahinter, hinter einem Tor aus Glasflügeln befand sich die letzte Station, wo man das Testergebnis ausgedruckt bekommt. Ich melde mich an, bekomme den Test, warte auf einen freien Testplatz, lasse dieses Nasenstierlen über mich ergehen und warte dann die fünfzehn Minuten bis der Test sein Ergebnis fertiggebraut hat und ich zur letzten Station im andern Raum weitergehen kann. Doch plötzlich schließt der Türsteher aufgeregt und wichtig die Glastür, schließt energisch den Vorhang als Sichtschutz und läßt niemanden mehr hinein. Wie bei einem pantomimischen Theaterstück wird nichts erklärt, vor allem die Geste der Vorhangzuziehens wirkt sehr dramatisch und hoch spannend. „Ah!“, denke ich, „ein positiver Fall!?“ Zehn Minuten rührt sich nichts. Dann kommt aus dem Raum das dort stationierte Personal im Gänsemarsch heraus, durchschreitet schweigend und betreten den langen Saal in Richtung Eingang. Für bis zehn Minuten rührt sich wieder nichts, die Wartenden zappeln schon ungeduldig hin und her, dann kommt die schweigsame Karawane wieder retour; einige binden sich noch ihre neue Schutzkleidung fest, dann verschwinden sie wieder hinter Vorhang und Tür. Wieder ein paar Minuten warten, dann wird der Vorhang kraftvoll dramatisch geöffnet – was nicht ganz gelingt, weil er sich verhängt – die Glastür wird geöffnet und ich stehe am Ende der Warteschlange zur letzten Station.

Negativ.

 

(13./16.3.2021)


©Peter Alois Rumpf   März 2021   peteraloisrumpf@gmail.com

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