2160 Ausflug
Früher, als ich allein lebte, bin ich ständig wie ein Irrer
durch die Gegend gerannt. Hat mich etwas irritiert: nichts wie los! Mußte ich
etwas verarbeiten oder nachfühlen oder überdenken: ich geh lieber! So habe ich
zwei-, dreimal die Woche die Lobau durchquert oder bin ganz tief hinein, oder durch
den Lainzertiergarten, oder außen an der Mauer des Lainzer Tiergartens entlang bis
Mauer und zur Wotrubakirche oder weiter nach Niederösterreich, oder durch den
Wienerwald bis nach Heiligenkreuz, oder über Dehnepark und Steinhofgründe rauf
zur Jägerwiese und runter bis Klosterneuburg, oder zumindest in der Innenstadt
oder in den Außenbezirken herumgelaufen. Seit meinem Zusammenbruch vor drei
Jahren ist damit Schluß und ich kann mich kaum dazu bringen, mein Zimmer und
die Wohnung zu verlassen.
Meine Frau liebt es jedoch, mit mir Ausflüge zu machen. Und
ich, ich finde es auch nicht so schlecht. Vorher denke ich mir oft: muß das
sein? Aber nachher stelle ich fest: es war erfrischend, anregend und
beziehungsfördernd.
Letztens sind wie am Fuße des Bisamberges Richtung Norden
gewandert. Auf meinen Vorschlag hin. Bei einem meiner seltenen Soloausflüge
hatte ich die falsche Abzweigung genommen und bin auf einen mir unbekannten Weg
gestoßen, der mir vielversprechend vorgekommen ist. Zu Recht. Man kommt zu
wunderschönen Ausblicken in die Ebene nord-östlich von Wien, wo man bis zu den
Kleinen Karpaten sieht. Und diese Wanderung hatte ich letztens erfolgreich
meinem Weibe gezeigt.
Für heute hat meine liebe Frau vorgeschlagen, das Schloß
Neugebäude zu besuchen. Vor knapp vierzig Jahren war ich einmal mit meiner
damalige Gefährtin dort und ich habe nur dunkle und unscharfe Erinnerungen an
das damals völlig versperrte Schloß. Deswegen bin ich neugierig geworden und
einverstanden mit diesem Ausflugsziel. Ich hatte gestern Abend versprochen,
alles Orientierungsmäßige nachzuschauen, es aber dann in meiner nächtlichen
Krimisucht vergessen (im Grunde bin ich ein schlamperter Hund). Wir haben –
meine Frau wußte den Weg – doch hingefunden. Ich ahnte nicht, dass im Schloß
eine Corona-Teststation eingerichtet ist; meine Frau sagt, sie hätte es mir
mitgeteilt. Gut, lassen wir uns testen!
Da meine Frau keinen Ausweis bei sich hatte, konnte nur ich
getestet werden. Ich muß innerlich schon lachen: Ausflugsziel: Nasenstochern,
geschickt eingefädelt von meiner Frau.
Die Teststation war in einer großen Halle eingerichtet, die
ich als ehemalige Pferdeställe vermutet habe: eine lange Halle mit
Ziegelgewölbe, wo sich die Aufnahmetische und der Wartebereich und ganz am Ende
die eigentlichen Teststationen befanden. Dahinter, hinter einem Tor aus
Glasflügeln befand sich die letzte Station, wo man das Testergebnis ausgedruckt
bekommt. Ich melde mich an, bekomme den Test, warte auf einen freien Testplatz,
lasse dieses Nasenstierlen über mich ergehen und warte dann die fünfzehn
Minuten bis der Test sein Ergebnis fertiggebraut hat und ich zur letzten
Station im andern Raum weitergehen kann. Doch plötzlich schließt der Türsteher
aufgeregt und wichtig die Glastür, schließt energisch den Vorhang als
Sichtschutz und läßt niemanden mehr hinein. Wie bei einem pantomimischen
Theaterstück wird nichts erklärt, vor allem die Geste der Vorhangzuziehens
wirkt sehr dramatisch und hoch spannend. „Ah!“, denke ich, „ein positiver
Fall!?“ Zehn Minuten rührt sich nichts. Dann kommt aus dem Raum das dort
stationierte Personal im Gänsemarsch heraus, durchschreitet schweigend und
betreten den langen Saal in Richtung Eingang. Für bis zehn Minuten rührt sich
wieder nichts, die Wartenden zappeln schon ungeduldig hin und her, dann kommt
die schweigsame Karawane wieder retour; einige binden sich noch ihre neue
Schutzkleidung fest, dann verschwinden sie wieder hinter Vorhang und Tür.
Wieder ein paar Minuten warten, dann wird der Vorhang kraftvoll dramatisch
geöffnet – was nicht ganz gelingt, weil er sich verhängt – die Glastür wird
geöffnet und ich stehe am Ende der Warteschlange zur letzten Station.
Negativ.
(13./16.3.2021)
©Peter Alois Rumpf
März 2021
peteraloisrumpf@gmail.com
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