Samstag, 29. August 2020

1964 Was ich höre

 

Mein MP3 funktioniert nicht. Was höre ich? Autos starten und fahren. Wasserpritscheln. Geschnatter (weiblich, jung). Das dumpfe Klopfen eines Pakets, in dem, da es getragen wird, etwas hin und her rutscht und gegen die Paketpappe stößt. Musik.

Ich stelle fest: ich kenne meine Nachbarn und Hausmitbewohner nicht – ich sitze am kleinen Platz vor unserem Haus (der einmal nach mir benannt werden könnte) im Freien auf einer der Bänke und die in unser Haus rein und raus gehen, sie sind mir unbekannt bis vage vielleicht-doch-schon-einmal-gesehen.

Hören: Gerede junger Männer in einer orientalischen Sprache. Autotüren zuschlagen und zuschieben. Automusik mit Wahnsinnstrommel und Wahnsinnsbaß. Ein Autogeräusch wie von einem Haarfön. Tuten eines angerufenen Telefons. Husten (jung, männlich, tief). Fremdartiger, schöner, orientalischer Gesang (ganz kurz). Aufschlagen von zwei auf die Straße gesetzter Laufroller. Reden. Geschirrklappern. Meinen eigenen Husten. Piepsen eines Handy beim Ankommen einer Nachricht. Haustürzuschlagen. Räuspern. Ein altes türkisches Ehepaar aus der Nachbarschaft, das miteinander redet. Fahrradabstellen inklusive Ständer aufstellen. Türklingel. Immer wieder Autos. Reden aus Wohnungen bei offenen Fenstern. Das Knacksen von vollen Papiertragetaschen beim Gehen. Aus- und Einladen von Schachteln in Autos. Roller am Gehsteig (Scheppern, Auftreten des antauchenden Fußes).

Ich probiere es wieder mit dem MP3. Ich höre nichts. Es ist Nachmittag. Ruhige, sanfte Stimmung wie vor einem Regen (alles andere ist ja menschengemacht).

Weiche, weibliche Schritte auf dem Gehsteigasphalt. Und immer wieder das Rauschen von Autoreifen auf dem Straßenasphalt. Das Summen von Fahrrädern und der Fahrradreifen auf dem Asphalt. Dann Anlegen von Fahrradketten an den Stangen der Verkehrstafeln. Das niedertourige Tuckern von Automotoren in und das Gasgeben nach der Kurve. Das Aneinanderschlagen und Reiben dicker, nackter Oberschenkel beim Gehen.. Das Nachgreifen der Träger bei schwierigen Transporten, wenn das Getragene aus der Hand zu rutschen droht. Das Einsteigen und Herumräumen der Träger in den und im Laderaum des gesharten Transportkleinbusses. Das starke und schnelle Vorbeirauschen der Straßenbahn in 200, oder 100 Meter Entfernung.

Ein Vogel? Oder hat nur irgendwo irgendetwas aus Plastik gequietscht?

Ein slawisches Radio (Sprechen. Russisch? Zu kurz und akustisch zu entstellt um es klar zu erkennen). Das Anstreifen von in Säcken Getragenes an der Laderaumwand. Das keifende Kommandieren einer sehr alten Frau ihres Hundes. Das Knistern des Hundekackisackerls. Das kurze Pfeifen eines fröhlichen oder eher manischen Mannes (so eine pseudolustige Idiotenmelodie). Und wieder irgendwo das Plätschern von Wasser in einem Rohr. Das Schieben eines sehr schweren Trummes auf einer Transportpalette mit kleinen, quitschenden Rädern. Das leise schnalzende Geräusch beim Herausziehen einer Zigarette aus einem Mund mit nicht richtig geöffneten Lippen. Polizeisirenen. Handypiepsen. Das Auftreffen der Schuhsohlen beim Herausspringen aus dem Laderaum des Autos auf den Asphalt. Verschieben eines hohlen Gegenstandes auf festem Boden. Das Gehen mit Schlapfen (Klappern und Schlurfen).

Ein Kleinkind. Ein schimpfender Erwachsener (weiblich).

Ich gehe.

 

 

 



(29.8.2020)

 






©Peter Alois Rumpf   August 2020   peteraloisrumpf@gmail.com

 

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