1964 Was ich höre
Mein MP3 funktioniert nicht. Was höre ich? Autos starten und
fahren. Wasserpritscheln. Geschnatter (weiblich, jung). Das dumpfe Klopfen
eines Pakets, in dem, da es getragen wird, etwas hin und her rutscht und gegen
die Paketpappe stößt. Musik.
Ich stelle fest: ich kenne meine Nachbarn und
Hausmitbewohner nicht – ich sitze am kleinen Platz vor unserem Haus (der einmal
nach mir benannt werden könnte) im Freien auf einer der Bänke und die in unser
Haus rein und raus gehen, sie sind mir unbekannt bis vage
vielleicht-doch-schon-einmal-gesehen.
Hören: Gerede junger Männer in einer orientalischen Sprache.
Autotüren zuschlagen und zuschieben. Automusik mit Wahnsinnstrommel und Wahnsinnsbaß.
Ein Autogeräusch wie von einem Haarfön. Tuten eines angerufenen Telefons.
Husten (jung, männlich, tief). Fremdartiger, schöner, orientalischer Gesang
(ganz kurz). Aufschlagen von zwei auf die Straße gesetzter Laufroller. Reden.
Geschirrklappern. Meinen eigenen Husten. Piepsen eines Handy beim Ankommen
einer Nachricht. Haustürzuschlagen. Räuspern. Ein altes türkisches Ehepaar aus
der Nachbarschaft, das miteinander redet. Fahrradabstellen inklusive Ständer
aufstellen. Türklingel. Immer wieder Autos. Reden aus Wohnungen bei offenen
Fenstern. Das Knacksen von vollen Papiertragetaschen beim Gehen. Aus- und
Einladen von Schachteln in Autos. Roller am Gehsteig (Scheppern, Auftreten des
antauchenden Fußes).
Ich probiere es wieder mit dem MP3. Ich höre nichts. Es ist
Nachmittag. Ruhige, sanfte Stimmung wie vor einem Regen (alles andere ist ja
menschengemacht).
Weiche, weibliche Schritte auf dem Gehsteigasphalt. Und
immer wieder das Rauschen von Autoreifen auf dem Straßenasphalt. Das Summen von
Fahrrädern und der Fahrradreifen auf dem Asphalt. Dann Anlegen von
Fahrradketten an den Stangen der Verkehrstafeln. Das niedertourige Tuckern von
Automotoren in und das Gasgeben nach der Kurve. Das Aneinanderschlagen und
Reiben dicker, nackter Oberschenkel beim Gehen.. Das Nachgreifen der Träger bei
schwierigen Transporten, wenn das Getragene aus der Hand zu rutschen droht. Das
Einsteigen und Herumräumen der Träger in den und im Laderaum des gesharten
Transportkleinbusses. Das starke und schnelle Vorbeirauschen der Straßenbahn in
200, oder 100 Meter Entfernung.
Ein Vogel? Oder hat nur irgendwo irgendetwas aus Plastik
gequietscht?
Ein slawisches Radio (Sprechen. Russisch? Zu kurz und
akustisch zu entstellt um es klar zu erkennen). Das Anstreifen von in Säcken
Getragenes an der Laderaumwand. Das keifende Kommandieren einer sehr alten Frau
ihres Hundes. Das Knistern des Hundekackisackerls. Das kurze Pfeifen eines
fröhlichen oder eher manischen Mannes (so eine pseudolustige Idiotenmelodie).
Und wieder irgendwo das Plätschern von Wasser in einem Rohr. Das Schieben eines
sehr schweren Trummes auf einer Transportpalette mit kleinen, quitschenden
Rädern. Das leise schnalzende Geräusch beim Herausziehen einer Zigarette aus
einem Mund mit nicht richtig geöffneten Lippen. Polizeisirenen. Handypiepsen.
Das Auftreffen der Schuhsohlen beim Herausspringen aus dem Laderaum des Autos
auf den Asphalt. Verschieben eines hohlen Gegenstandes auf festem Boden. Das
Gehen mit Schlapfen (Klappern und Schlurfen).
Ein Kleinkind. Ein schimpfender Erwachsener (weiblich).
Ich gehe.
(29.8.2020)
©Peter Alois Rumpf August 2020
peteraloisrumpf@gmail.com
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