Montag, 10. August 2020

1942 Der Gedanke überzeugt mich nicht

 

Ich sitze in später Mittagshitze als ein Woahjöör auf der Fensterbank und schaue vom dritten Stock auf die Straßen hinunter und auf das Plätzchen (könnte einst nach mir benannt werden) mit den drei Bäumchen und zwei Sitzbänken hinab und in das Leben hinein. Auf einer der Bänke sitzt eine Frau und telefoniert via Ohrenstöpselanlage. Gesprächsfetzchen luftwellen sich bis herauf, aber ich verstehe nichts. Ich komme mir verrucht und schuldig vor als Auf-Banken-Seher (im Gegensatz zur Bankenaufsicht) und Gaffer, habe jedoch das Fenster halbflügelig geöffnet, damit auch ich gesehen werden kann. Außerdem bin ich abschreckend unvorteilhaft gekleidet – mein Gott, wie viele Autotüren gibt es in der Gegend zum Kleschen gibt! - in einer zu engen kurzen Hose, wo Bauch und Hüften fett herauswutzeln – und noch dazu mit nacktem Oberkörper.

 

Eigentlich wollte ich heute ins Gänsehäufl – aber dann habe ich es nicht geschafft, aus der Wohnung zu gehen (stimmt! Aber trotzdem fange ich schon hier zu schwindeln an). Die Sonne durchbricht nun die Wolkendecke (falsch! Die Wolkendecke reißt auf); die Bänke stehen schon im Schatten. Es gehen fast nur Frauen vorbei – mir soll's recht sein – viele mit Einkaufstaschen; die Männer fahren anscheinend Auto.

 

Die Hitze macht träge: geistig träge, gefühlsträge, empathieträge …

Ich schaue nach oben: schöne, kleine, weiße Wolken. Ich werde mir noch einen Kaffee machen. Mir wird es ungemütlich auf der harten Fensterbank und komme mir immer blöder vor. Ich fühle mich schuldig und unverschämt. Der Gedanke, dass ich an meinem Fenster – lassen wir die Diskussion über Besitzverhältnisse weg – mir gehört in Wirklichkeit nichts – an meinem Fenster sitzen und stehen kann, wie und so oft und so lange ich will, überzeugt mich nicht; denn wohin man seine Aufmerksamkeit schickt, dorthin lenkt man seine Energie, und in welcher Absicht, das erzeugt dann die Stimmung – und das macht etwas mit den Beobachteten! Nein, ich werde mir noch einen Kaffee machen!

 

Ja, ich lasse es gut sein. So inspirierend ist dieser Sitzplatz als Schreibplatz auch wieder nicht. Vor allem, wenn ich meine Gedanken zensuriere – zum Beispiel: Prachtweib!, So dürr!, schaut wie ein Prolet aus!, Mei, wia blad!, Hampelmann!, Wahnsinnsbusen! Etc. - wie soll da ein Schreibfluß und ein guter Text entstehen? Ich werde mir noch einen Kaffee machen, jetzt aber wirklich, und das Laptop anwerfen (womit denn, Karl-Otto, Karl-Otto, Karl-Otto, womit den Karl-Otto, Karl-Otto, womit?).

 

 

 

 

 

(10.8.2020)

 

 

 

 

 

 

©Peter Alois Rumpf   August 2020   peteraloisrumpf@gmail.com

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