1942 Der Gedanke überzeugt mich nicht
Ich sitze in später Mittagshitze als ein Woahjöör auf der
Fensterbank und schaue vom dritten Stock auf die Straßen hinunter und auf das Plätzchen
(könnte einst nach mir benannt werden) mit den drei Bäumchen und zwei
Sitzbänken hinab und in das Leben hinein. Auf einer der Bänke sitzt eine Frau
und telefoniert via Ohrenstöpselanlage. Gesprächsfetzchen luftwellen sich bis
herauf, aber ich verstehe nichts. Ich komme mir verrucht und schuldig vor als
Auf-Banken-Seher (im Gegensatz zur Bankenaufsicht) und Gaffer, habe jedoch das
Fenster halbflügelig geöffnet, damit auch ich gesehen werden kann. Außerdem bin
ich abschreckend unvorteilhaft gekleidet – mein Gott, wie viele Autotüren gibt
es in der Gegend zum Kleschen gibt! - in einer zu engen kurzen Hose, wo Bauch
und Hüften fett herauswutzeln – und noch dazu mit nacktem Oberkörper.
Eigentlich wollte ich heute ins Gänsehäufl – aber dann habe
ich es nicht geschafft, aus der Wohnung zu gehen (stimmt! Aber trotzdem fange
ich schon hier zu schwindeln an). Die Sonne durchbricht nun die Wolkendecke
(falsch! Die Wolkendecke reißt auf); die Bänke stehen schon im Schatten. Es
gehen fast nur Frauen vorbei – mir soll's recht sein – viele mit
Einkaufstaschen; die Männer fahren anscheinend Auto.
Die Hitze macht träge: geistig träge, gefühlsträge,
empathieträge …
Ich schaue nach oben: schöne, kleine, weiße Wolken. Ich
werde mir noch einen Kaffee machen. Mir wird es ungemütlich auf der harten
Fensterbank und komme mir immer blöder vor. Ich fühle mich schuldig und
unverschämt. Der Gedanke, dass ich an meinem Fenster – lassen wir die
Diskussion über Besitzverhältnisse weg – mir gehört in Wirklichkeit nichts – an
meinem Fenster sitzen und stehen kann, wie und so oft und so lange ich will,
überzeugt mich nicht; denn wohin man seine Aufmerksamkeit schickt, dorthin
lenkt man seine Energie, und in welcher Absicht, das erzeugt dann die Stimmung
– und das macht etwas mit den Beobachteten! Nein, ich werde mir noch einen
Kaffee machen!
Ja, ich lasse es gut sein. So inspirierend ist dieser
Sitzplatz als Schreibplatz auch wieder nicht. Vor allem, wenn ich meine
Gedanken zensuriere – zum Beispiel: Prachtweib!, So dürr!, schaut wie ein
Prolet aus!, Mei, wia blad!, Hampelmann!, Wahnsinnsbusen! Etc. - wie soll da
ein Schreibfluß und ein guter Text entstehen? Ich werde mir noch einen Kaffee
machen, jetzt aber wirklich, und das Laptop anwerfen (womit denn, Karl-Otto, Karl-Otto, Karl-Otto, womit den Karl-Otto, Karl-Otto, womit?).
(10.8.2020)
©Peter
Alois Rumpf August 2020 peteraloisrumpf@gmail.com
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