Dienstag, 4. August 2020

1938 Neigt, blendet, schleicht und bange

Der auf dem amphorigen als Lampe eingerichteten Glaskörper aufgesetzte Lampenschirm neigt sich zum finsteren Ölschinken mit den helleren Enten und lehnt sich an. Ein Stück Wald schaut zum Fenster herein, der licht-graue Himmel darüber blendet mich ein wenig in diesem ehrfürchtig-finsteren holzvertäfelten Zimmer. Am Hinterkopf beginnt es zu kribbeln. Meine Schuhe sind nass vom Spaziergang durchs grüne Gras. Der in den offenen Fensterflügeln gespiegelte Nadelbaum winkt mit seinen Ästen. Dennoch ist die Optik hier ziemlich starr und unbewegt. Die Akustik zwischen einer harmlos streitenden Familie hinter der Tür gegenüber und den Küchengesprächen zwei Räume hinter  mir ist eindeutig heftiger und bewegter. Eine Dame mit Nordic-Walking-Stecken marschiert durch den Raum und bemerkt mich stillen Eckensitzer nicht. Eine zweite marschiert durch und dreht sich kurz um. Jetzt ist es in der Außenwelt recht stad, dafür höre ich meine Ohren surren. Unbehagen schleicht mich an. Der elegant gearbeitete aber vertretene Holzboden, das fragwürdige Klavier, der braungesprengelte Kachelofen, die abgewetzten Polstermöbel, der muffige Geruch des Alten, schäbig Pompösen. Die Lichtreflexe an den glatten Flächen: Holz, Keramik, Glas, Plastik, Metall, auch auf den Stoffen – wo treibt mich das hin, wenn ich nicht aufpasse? Nix ehrfürchtig! Warnung!

Und nun beginnt wieder eine Arbeitssitzung des Workshops der gefährlichen Schriftstellerinnen im Nebenraum – ich gehe. Mir wird bange.

 

 

 

 

(4.8.2020)

 

 

 

©Peter Alois Rumpf     August 2020    peteraloisrumpf@gmail.com


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