Freitag, 31. Juli 2020

1933 Befüllt, klopft, begeistert


Ich schnaufe und atme angestrengt um neun Uhr vormittags, weil ich die Waschmaschine unten mit der Sechziggrädigen befüllt und in Gang gesetzt habe und nun die Stiegen herauf bin. Und schwitze.

Aber jetzt ruhe ich mich wieder aus, im Bett, und komme wirklich zur Ruhe. Mein Herz klopft, die Augen beginnen zuzufallen und unmittelbar vor meinem dritten Auge versammeln sich schon so wurlende, schwebende, ausstrahlende Substanzen.
Mir kommen die zwei Naturen von Jesus Christus in den Sinn und bin begeistert von der zu Recht erfolgten Verurteilung des Monotheletismus als Irrlehre am dritten Konzil von Konstantinopel 681 (Tonal und Nagual haben je eine eigene Zielgerichtetheit).

Dann kehre ich heiter wieder in mein Schweben zurück mit meiner Aufmerksamkeit. Die Kabel meines CD-Players und des kunstvoll angesteckten Kopfhörers hängen traurig vom Schreibtisch und bilden am Boden mit den Kabeln des Verteilers einen bemitleidenswerten Kabelsalat. Was für eine Hilflosigkeit! Was für ein Ausgeliefertsein an die Umstände und mich, dem Zimmerherrn! Mir steigen beinah die Tränen auf! (vor Selbstmitleid! Es ist zum Zerkugeln, aber anscheinend identifiziere ich mich wirklich mit einem lieblos, gedankenlos und schlampig ins Dasein geworfenen Kabelknäuel und seinen festhängenden Ausläufern!)

Wiederum atme ich tief durch und versuche meine Restvernunft, meine Selbstbeherrschung und ein normaleres und ansprechenderes Selbstbild zusammenzukratzen.

Während ich vergeblich auf eine romantische Bootszene mit dominant kompetenten Mann und hingebungsvoll passiven Frau in einer romantischen Flußlandschaft (englisch? Jedenfalls als Blaudruck auf meiner Bettdecke) starre – die Lieblichkeit dringt nicht zu mir durch – beginnt es von außen in meine Ohren hineinzupulsieren und meine Wahrnehmung aufzubrezeln: alles verschwimmt und verschwebt, was ich jedoch in den Blick nehme wird größer, schärfer und setzt sich komplett von seiner Umgebung ab. Mein Kastl am Bettende mit dem Kassettenspieler und den Bildchen wird ganz scharf und andrängend wie ein Büffel oder ein Ungeheuer – wenn ich mich fürchten tät. Aber ich fürchte mich nicht, denn ich weiß: dieses Ding ist wie ein jedes Ding ein Wesen, und ich will mich mit ihm anfreunden, wie mit einem Tier, das einem zufällig begegnet (ich umschiffe jetzt die Klippen des „zufällig“).

Eine gewisse Auf- und Erregung erfaßt mich, die mich wieder schnaufen läßt, eine Art Begeisterung für die Welt und das Leben (oder mich?), begleitet von Daseinsfröhlichkeit.

Die nun im Stiegenhaus heraufrufenden und heraufheulenden und heraufschreienden Tageskinder machen mich glücklich und lächeln und erhellen mein Gesicht. (Ich bilde mir ein, eines hat meinen Namen gerufen, aber ich kann kann mich ganz leicht getäuscht haben).

Jetzt werde ich traurig, denn ich soll mich heraushalten, die Kinder nicht begrüßen gehen und ihnen gegenüber passiv bleiben wie eine Wand, auf dass ich sie nicht mit meinen Kommunikations- und Anerkennungsbedürfnissen nötige oder störe.

Aber die Dinge sind oder haben doch auch Wesen, Energie! Sie nähern sich uns, wenn sie wollen, treten mit uns in Kontakt – gerade habe ich es erfahren!

Nachdem ich mich jetzt so weit aus dem Fenster gelehnt habe (Diagnose: …?), ziehe ich mich wieder in mein Zimmer, in mein Bett zurück, weil ich es in Wirklichkeit eh einsehe.
Wenn der erste Wirbel vorbei ist und die Kinder hier angekommen sind, werde ich in die Küche hinunter gehen und mir mein Frühstück bereiten. Werde beherrscht wie eine Wand sein, denn die Kinder benötigen mich nicht. Sie haben alles, was sie brauchen.









(31.7.2020)










©Peter Alois Rumpf,  Juli 2020  peteraloisrumpf@gmail.com

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