1930 Versickert
Das letzte Abendrot versickert auf den Dächern und Mauern
und die Blätter der Bäume saugen es auf. Die Abenddämmerung beginnt. Ein feiner
Wind durch das südwestliche Fenster herein und das nordöstliche hinaus bewegt
meine schon längst getrocknete Wäsche, die auf Wäscheleinen wie von der Decke
hängt. Im Hof werden die Bäume dunkler und schärfer, aber bleiben sanft im
Windhauch beim Übergang zur Nacht.
Ich sehe nichts, doch unten gibt es – wie es sich anhört –
eine Streiterei.
Kleine lautlose Fliegen tanzen in der noch immer heißen Luft
auch hier herinnen herum.
Ein Deckenüberzug fängt als einziger angeregt zu schaukeln
an, beruhigt sich, fängt wiederum an, diesmal in Abstimmung mit der bedächtigen
Krone des schönen Baumes, dessen häßlichen Namen ich nicht mag.
Auch mir bläst das Lüftchen durch meine vorgebeugte
Körperhaltung ermöglicht unter das Leiberl mit „Lieber nicht!“ auf meine heiße
Brust.
Ich setze mich näher zum Fenster, wo ich besseres Licht zum
Schreiben habe und einen größeren Blick auf den Himmel.
Manche der kleinen Wolkenschwaden leuchten noch
rötlich-orange und weiß. Wieder laute Auseinandersetzungen im Hof. Ich kann
unten keinen sehen.
Daß für uns Menschen der Übergang zur Nacht nach so vielen
Jahrtausenden immer noch so schwer ist, so voller Aufregung.
Die ersten Fledermäuse fliegen auf Jagd. Die Baumkronen
zeichnen sich schärfer und schärfer vorm hellen Himmel ab.
Ich gehe zum nordöstlichen Fenster auf der Straßenseite.
Hier steht die Luft stickig im Raum. Ich öffne das gekippte Fenster ganz und
der Himmel ist noch blau, die wenigen kleinen leichten Wolken rot – andere gibt
es hier jetzt nicht.
Unverständliche Gesprächsfetzen steigen von unten herauf.
Die Autos sind schon mit Licht unterwegs. Die ersten Fenster leuchten auf.
Ich winke meiner Frau, die ich mit dem Rad daherkommen sehe
und gehe ihr entgegen.
(29.7.2020)
©Peter Alois Rumpf, Juli 2020
peteraloisrumpf@gmail.com
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