1624 Die Kaffeemaschine schäumt
Meine Brille ist schief und verzogen und sitzt schlecht und
verzerrt meine Sicht. Auch ich bin sehr verletzlich, fällt mir gerade ein. Der
Ausblick zum Kleindschungel ist schlecht, egal ob ich durch das Brillenglas
oder darüber hinweg luge. Nein, jetzt hat sich die Drüberansicht geklärt und
stabilisiert, vielleicht wurde der Augensand an den Rand geschwemmt. Die
Kaffeemaschine schäumt gurgelnd die Hafermilch - das kann nur eine Zustimmung sein. Die
Kaffeemaschine mahlt die guten Bohnen in höchsten Tönen; dann sprudelt sie das
heiße Getränk in die Tasse. Höchste Zeit. Mir fallen schon wieder die Augen zu
und der Oberkörper nach vorne. Jetzt wiederholt sich der
Kaffeemaschinenvorgang. Im Hintergrund klopft es ferne, dumpf und deutlich.
Kirchenglocken. Noch immer kann ich mich über sie nicht
aufregen; noch immer sind sie mir angenehm. Die kontrollierte Torheit ist keine
Sünde.
Für einen Mafiafamilienvater bringe ich zu wenig um und ein
und habe zu wenig Einkommen und Umsatz. Und mein autoritärer Charakter ist zu
passiv.
Ich betrachte die linke, schräg beleuchtete Wand im Alkoven,
in dem ich hänge und bin begeistert von ihren Schrunden, Narben und Wülsten,
und die Schatten und Farbspiele, die sich daraus ergeben.
Ein solche Wand zu schauen wird mir nicht fad. Wenn ich
nicht im Kampf, sondern im Bett sterbe, möchte ich auf so eine Mauer blicken.
Auf keinen Fall auf eine glatte, perfekte, desinfizierte, technoide Wand. Nein, allein schon das Blau, das aus dem Schwarz des Schattens einer Wandnarbe
hervorquillt, ist so schön, daß ich mich lieber in dieses Blau hinein auflöse,
als zum Beispiel in einen Plastikparavent oder das mundgeschützte,
keimbefreite, intensivstationäre Gfries eines Arztes.
(1.12.2019)
©Peter Alois Rumpf,
Dezember 2019
peteraloisrumpf@gmail.com
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