Montag, 14. Mai 2018

948 Es ist mir zu schnell gegangen


Während ich die getrocknete Wäsche vom Wäscheständer nehme und schlampig und lässig zusammenlege und übereinander staple, schaue ich beim Fenster hinaus und sehe die Bäume im Hof voll in ihrem grünen Laub stehen und im Wind schaukeln. Ich erschrecke ein wenig: ich hatte im Inneren noch das Bild mit den dürren, kahlen Ästen.

Es ist mir zu schnell gegangen. Ich weiß, ich sollte mich freuen, daß schon Sommer ist, aber stattdessen bin ich irritiert und es schleicht eine undefinierte, schwache, untergründige Angst herum (in meinem Alter lebt man schon auf abschüssigem Gelände).

Ich sitze jetzt auch nicht entspannt am Sessel, sondern nach vorne gekrümmt, als hätte ich keine Zeit, als wäre ich am Sprung. Aber wohin?
Die morgendliche Übelkeit hat jetzt nach Mittag abgenommen, die leichte, flache Angst ist geblieben. (Es gibt drei Hauptstadien: Übelkeit, Angst, Angst plus Übelkeit.)

Die Brise, die die Baumkronen kräuselt, die mich ansonsten erfreut und beruhigt, macht mich heute nervös. Etwas ungutes will heraufkommen, ich lasse es jedoch nicht durch und sitze immer noch nach vorne geknickt.

Nachdem ich verstanden habe, was ich da mache, habe ich mich bewußt und mit Absicht aufgerichtet und zurückgelehnt, und sogleich hat sich unbewußt und ohne Absicht eine tiefer Atemzug gelöst. Meine Kopfschmerzen lassen etwas nach, mein Blick bleibt an den Blumentöpfen am Fenster hängen.

Die wenigsten Pflanzen sind von mir, aber ich bin es, der sie gießt. Diese Reihe von neun Blumentöpfen strahlt eine beinah unheimliche Starrheit aus, gerade vorm Hintergrund der sich bewegenden Bäume hinter der Fensterscheibe. Im ersten Moment auch etwas erschreckend – so nach dem Motto: wo bin ich hier?








(14.5.2018)











©Peter Alois Rumpf    Mai 2018     peteraloisrumpf@gmail.com

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