948 Es ist mir zu schnell gegangen
Während ich die getrocknete Wäsche vom Wäscheständer nehme
und schlampig und lässig zusammenlege und übereinander staple, schaue ich beim
Fenster hinaus und sehe die Bäume im Hof voll in ihrem grünen Laub stehen und
im Wind schaukeln. Ich erschrecke ein wenig: ich hatte im Inneren noch das Bild
mit den dürren, kahlen Ästen.
Es ist mir zu schnell gegangen. Ich weiß, ich sollte mich
freuen, daß schon Sommer ist, aber stattdessen bin ich irritiert und es
schleicht eine undefinierte, schwache, untergründige Angst herum (in meinem
Alter lebt man schon auf abschüssigem Gelände).
Ich sitze jetzt auch nicht entspannt am Sessel, sondern nach
vorne gekrümmt, als hätte ich keine Zeit, als wäre ich am Sprung. Aber wohin?
Die morgendliche Übelkeit hat jetzt nach Mittag abgenommen,
die leichte, flache Angst ist geblieben. (Es gibt drei Hauptstadien: Übelkeit,
Angst, Angst plus Übelkeit.)
Die Brise, die die Baumkronen kräuselt, die mich ansonsten
erfreut und beruhigt, macht mich heute nervös. Etwas ungutes will heraufkommen,
ich lasse es jedoch nicht durch und sitze immer noch nach vorne geknickt.
Nachdem ich verstanden habe, was ich da mache, habe ich mich
bewußt und mit Absicht aufgerichtet und zurückgelehnt, und sogleich hat sich
unbewußt und ohne Absicht eine tiefer Atemzug gelöst. Meine Kopfschmerzen
lassen etwas nach, mein Blick bleibt an den Blumentöpfen am Fenster hängen.
Die wenigsten Pflanzen sind von mir, aber ich bin es, der
sie gießt. Diese Reihe von neun Blumentöpfen strahlt eine beinah unheimliche
Starrheit aus, gerade vorm Hintergrund der sich bewegenden Bäume hinter der
Fensterscheibe. Im ersten Moment auch etwas erschreckend – so nach dem Motto:
wo bin ich hier?
(14.5.2018)
©Peter Alois Rumpf Mai
2018 peteraloisrumpf@gmail.com
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]
<< Startseite