826 Bitte einen ordentlichen Größenwahn
Ich glaub', mich rettet nurmehr Größenwahn. Ein ordentlicher
Größenwahn. Ein richtiger, wenn auch heimlicher Größenwahn. Gut, vor einem wirklich
aufmerksamen Beobachter wird er nicht zu verstecken sein, aber egal.
Ja, so ein richtiger Größenwahn. Vielleicht kann ich mich
dann noch mit einer solchen echten Allmachtsphantasie bis zu meinem Lebensende
durchtragen. Dann brauche ich noch irgendsoeine zünftige Abschlußphantasie -
eine, wo ich am Schluß endlich so richtig auftrumpfe. Das als die berühmte
Karotte, die man auf dem Esel sitzend diesem dummen Esel auf einem Stock mit
einer Schnur befestigt vor die Nase hält, damit er auf die Karotte losmarschiert
und naja, eh klar. Damit ich noch irgendwie weitertrabe. Ein bissi muß ich halt
auf den eigenen Trick hereinfallen, sonst geht’s nicht. Darum brauche ich den
Größenwahn. Damit ich selber glaube, ich könne mich selbst am Schopf aus dem
Sumpf ziehen. (Sumpf, nicht Rumpf) (Mit dem Haarschopf muß ich mir noch etwas
überlegen! - Glatze!)
Es ist wurscht, wenn ich's zum Schluß merke, daß ich mich
habe reinlegen lassen und auf eine falsche Hoffnung gesetzt habe. Nur, daß ich
mich bis dahin derschleppe.
Und auch sonst brauche ich noch eine ordentliche Portion
Lebenslüge; irgendetwas, was mein Leben verklärt. Meinetwegen vom Ende her.
Vielleicht könnte ich mit der Rolle des verkannten Genies
arbeiten? Naja, es muß ja nicht ein großes Genie sein. Ein kleines. Ein ganz
kleines. Ein wengerl ein Genie halt, das könnte ausreichen.
Oder verkannter Künstler. Oder verkannter Philosoph – ich
meine eh nur im umgangssprachlichen Sinn, keinesfalls im akademischen.
Von mir aus auch ein übersehener Theologe, wenn's unbedingt
sein muß. Vor Jahren wäre ich darauf mit Begeisterung angesprungen, jetzt nicht
mehr. Aber wenn es nicht anders geht, dann halt als Theologe. Kann ich damit
noch einen Größenwahn aufbauen? Mit dem – lebenshistorisch gesehen – alten
Käse? Und was wäre das dann für ein Abgang? Eine Himmelfahrt? Paßt überhaupt
nicht zu Theologen! (Für die ist das doch bloß ein literarisches Schema.)
Irgendetwas muß ich mir einbilden können, damit ich es noch
weiter schaffe. Vielleicht die Vorstellung, daß ich oder meine Schreiberei oder
meine Bilder oder was auch immer nach meinem Tod „entdeckt“ werden.
Ja, das könnte gehen!
Das ist gar nicht einmal so blöd! Eigentlich ist es genial!
Ja, richtig genial!
Ein bißchen müßte ich diese Illusion zu Lebzeiten füttern,
daß sie mir nicht vorm Ende verhungert. Irgendwann wird man ja auch dem Esel
mit der Karotte etwas zu fressen geben, damit er nicht zusammenbricht.
Wie könnte ich das anlegen, daß die Illusion aufrecht
erhalten werden kann? Schwanken darf sie, aber nicht tot umfallen.
Ja, da müßte schon gehen. Wenn ich ab und zu etwas schreibe,
das ich für halbwegs gelungen halten kann, dann sollte das ausreichen. Ja, das
wird schon gehen! Und das Geniale daran: diese Illusion fliegt zu Lebzeiten nie
auf! Der Erfolg kommt ja erst nach meinem Tod – stelle ich mir vor.
Nur sollte ich diese Illusion heimlich pflegen. Wenn ich zu
viel davon rede, wird sie möglicherweise schal. Oder wenn ein Lektor oder
Kritiker meine Texte liest, dann lasse ich mir vielleicht, nein, wahrscheinlich
die Illusion zerstören.
Ich darf gar nicht zu viele Leser haben!
(21./22.11.2017)
©Peter Alois Rumpf November
2017 peteraloisrumpf@gmail.com
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